Newsletter Flüchtlingsrat Nr. 203

Liebe Mitglieder, Fördermitglieder und Interessierte!


wir freuen uns, Ihnen die Septemberausgabe unseres Newsletters zur Flüchtlingsarbeit in Baden-Württemberg präsentieren zu können.
Mit dem starken Rückgang der Anzahl ankommender Flüchtlinge haben sich auch die Arbeitsschwerpunkte der in diesem Bereich aktiven Personen verschoben. Das merken wir auch ganz erheblich in unserer täglichen Arbeit, beispielsweise an den Inhalten der Anfragen, die uns erreichen. Ging es vor ein oder zwei Jahren noch um die Aufnahme, um die Eröffnung neuer Unterkünfte und die Unterstützung bei der ersten Orientierung in der neuen Umgebung, so steht nun eine sehr ausdifferenzierte Palette von verschiedenen Anliegen im Fokus, wobei die Unterstützung und Begleitung bei der nachhaltigen Integration in vielen Fällen eine große Rolle spielt.

So zum Beispiel beim Zugang zu Arbeit und Ausbildung. Die neue Ausbildungsduldung hat für viele Geflüchtete eine Perspektive auf ein Bleiberecht eröffnet und wird auch von der Wirtschaft begrüßt. In diesen Tagen haben zahlreiche Geflüchtete ihre Ausbildungen begonnen. Einige profitieren auch von der Ausbildungsduldung. In den vergangenen Wochen und Monaten habe wir in einer Vielzahl von Fällen unterstützt und beraten, in denen es mit Blick auf das bevorstehende neue Ausbildungsjahr um Beschäftigungserlaubnisse und Ausbildungsduldungen ging. Wir danken den vielen Haupt- und Ehrenamtlichen, die sich mit viel Geduld und Einsatz diesem schweren Thema gewidmet und oft auch die von ihnen betreuten Einzelfälle zum Erfolg geführt haben.

Sehr kritikwürdig ist aus unserer Sicht, dass auch zum Schulanfang vergangene Woche zahlreichen geflüchteten Kindern und Jugendlichen weiterhin das Recht auf Bildung vorenthalten wird — selbst wenn sie lange genug hier sind, um der Schulpflicht zu unterliegen. Dies betrifft vor allem diejenigen, die in Erstaufnahmeeinrichtungen leben. Es ist zu befürchten, dass dieses Phänomen zukünftig noch häufiger auftreten wird, da das neue "Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht" die Möglichkeit vorsieht, Personen für bis zu zwei Jahren in Erstaufnahmeeinrichtungen zu behalten.

Am 24. September wird der neue Bundestag gewählt. Es ist zu befürchten, dass eine Partei ins Parlament einzieht, deren Vertreter*innen Rassismus, aggressiven Nationalismus, Sexismus, Homophobie, Islamfeindlichkeit, Antisemitismus und Sozialdarwinismus so offen in den politischen Diskurs hereintragen wird wie keine andere, die seit 1945 im deutschen Parlament vertreten war. Eine Ideologie der Ungleichwertigkeit der Menschen ist zu einem legitimen Bestandteil des politischen Diskurses, zu einer Meinung, die gleichberechtigt neben allen anderen stehen darf, geworden. Vor diesem Hintergrund und vor dem Hintergrund des gnadenlosen Rollback der Flüchtlingsrechte in den vergangenen Jahren ist es wichtig, dass die Abertausenden von Menschen, die sich ehrenamtlich in der Flüchtlingsarbeit engagieren, nicht nur selbst zu Wahl gehen, sondern auch im gesellschaftlichen Diskurs, im privaten, beruflichen oder sonstigen Bereich ihre Stimme erheben und für die Werte Partei ergreifen, die eigentlich selbstverständlicher Minimalkonsens einer sich als zivilisiert verstehenden Gesellschaft sein sollten, es aber längst nicht mehr sind.


Wir wünschen Ihnen eine interessante und nützliche Lektüre sowie gute Herbsttage!

Der Vorstand und die Mitarbeiter*innen der Geschäftsstelle des Flüchtlingsrats.

Hinweis: Wenn Sie am Ende der jeweiligen Beiträge auf "Weiterlesen..." klicken, gelangen Sie zur ausführlichen Darstellung auf unserer Homepage und finden dort auch zahlreiche weitere Dokumente und Medienberichte.



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