Biberach sz
Hat Biberach ein Sicherheitsproblem? Seit den Silvesterübergriffen in Köln und der Gründung der Facebookgruppe „Biberach passt auf“ mehren sich die Stimmen von Bürgern, die sich in der Stadt nicht mehr sicher fühlen. SZ-Redakteur Gerd Mägerle hat mit Oberbürgermeister Norbert Zeidler gesprochen, wie die Stadtverwaltung damit umgeht.
Herr Zeidler, die Vorgänge in Köln, die große Zahl an Flüchtlingen, die inzwischen in der Stadt leben, und die Gründung der Facebookgruppe „Biberach passt auf“ haben eine Diskussion entfacht, wie sicher Biberach zum Beispiel nachts für Frauen noch ist, die allein unterwegs sind. Brauchen wir ein neues Sicherheitskonzept für die Stadt?
Man muss hierbei zwei Ebenen unterscheiden: Zum einen gibt es die faktische Ebene. Hier kann ich nach wie vor sagen: Biberach ist eine relativ sichere Stadt. Ich lese mir täglich die Polizeiberichte durch. Hierbei ist die Zahl der Täter mit Migrationshintergrund im Verhältnis nicht höher als die deutscher Staatsbürger. Zum anderen gibt es die emotionale Ebene, also wie sicher ein Mensch sich selbst fühlt. Ich denke, das ist der Punkt, der die Menschen momentan am meisten umtreibt.
War die Silvesternacht in Köln aus Ihrer Sicht der Auslöser dafür?
Köln war ein Kollateralschaden. Damit einher ging ein Vertrauensverlust in die Handlungsfähigkeit und Ehrlichkeit des Staates. Der einzig positive Nebeneffekt dieses ganzen Dilemmas ist: Wer versucht, Dinge zu vertuschen, muss gehen.
Um zur Eingangsfrage zurückzukehren: Brauchen wir deshalb auch ein neues Sicherheitskonzept für Biberach?
Wir brauchen eine sachliche Auseinandersetzung mit den Fakten. Da sollten sich die Stadtverwaltung und der Gemeinderat an die Spitze des Prozesses stellen, die Dinge zunächst analysieren und zusammen mit der Polizei die weiteren Konsequenzen ziehen.
Was sind denn die Fakten?
Die Fakten sind, dass wir in Biberach noch immer eine relativ ruhige Situation haben und wir weit, weit weg sind von einer Situation wie in Köln.
Nun gibt es aber Menschen, die sagen, sie fühlen sich auf dem Marktplatz nicht mehr sicher, seit sich dort vermehrt Flüchtlinge aufhalten – wohl auch, um das kostenlose W-Lan-Netz zu nutzen. Können Sie dieses Gefühl der Unsicherheit nachvollziehen?
Ich kann niemandem das persönlich ungute Gefühl nehmen, das er oder sie vielleicht hat, wenn er Gruppen von Flüchtlingen sieht, die im Regelfall auf ihre Handys gucken. Wir können an dieser Situation aber auch nichts ändern.
Vor einigen Jahren gab es in der Stadt eine Diskussion über sogenannte „Angsträume“. Orte wie der Marktplatz, der Bereich um die Stadthalle, der Gigelberg oder auch der Wieland-Park wurden damals genannt, an denen sich die Menschen nachts nicht sicher fühlten. Orte, die in der jetzigen Diskussion ebenfalls wieder genannt werden. Muss die Stadt hier handeln?
Zunächst einmal darf man dieses Thema nicht mit dem Flüchtlingsthema in einen Topf werfen. Was zum Beispiel den Bereich um die Stadthalle angeht, so ist das eine Art Open-Air-Jugendtreff, wo sich auch deutsche Jugendliche aufhalten und offenbar auch alkoholische Getränke konsumiert werden. Das wird aber für mich deshalb nicht automatisch zu einem Ort mit besonderem Gefahrenpotenzial. Und die Stadt unternimmt ja etwas. Wir haben den kommunalen Präsenzdienst im Gemeinderat noch vor Weihnachten gestärkt und ausgebaut. Ich kenne in Baden-Württemberg keine Stadt unserer Größenordnung, die einen solchen Dienst hat.
Die Facebookgruppe „Biberach passt auf“ will doch ihrer eigenen Aussage auch nichts anderes, als für ein friedliches Miteinander in der Stadt sorgen. Trotzdem haben Sie sie in Ihrem Facebookprofil kritisiert. Warum?
Weil in der Beschreibung der Gruppe zunächst Dinge standen wie „wehrfähige Bürgerwehr“, „Lügenpresse“ und „Was hier in BC abläuft, geht gar nicht“. Das fand ich bedenklich. Darauf auf meiner Facebookseite zu reagieren, fand ich genau die richtige Antwort. Im Laufe der vergangenen Tage scheint sich das ja etwas relativiert zu haben. Natürlich wäre die Politik falsch beraten, die Empfindungen der Menschen nicht ernst zu nehmen. Mich beschäftigt das jeden Tag. Deshalb wäre die Stadt auch bereit, beispielsweise ein Projekt wie die „Nachtwanderer“, wie sie es in Konstanz gibt, positiv zu begleiten.
Wären Sie auch bereit, mit den Gründern der Facebookgruppe darüber zu diskutieren?
Ich bin grundsätzlich bereit, mich mit jedem in einem fairen Umgangston auseinanderzusetzen, der gewillt ist, die Fakten nicht komplett zu negieren. Ich finde es unglaublich, wie viele Gerüchte im Moment im Umlauf sind.
Werden Sie das Thema auch am Montag im Hauptausschuss des Gemeinderats ansprechen oder im Gemeinderat in der Woche darauf?
Ja, ich werde das Thema im Hauptausschuss unter dem Punkt „Verschiedenes“ ansprechen und wir werden einen Vertreter der Polizei in die nächste oder übernächste Sitzung einladen, um uns über die Fakten zu informieren und alles ernsthaft und kritisch zu prüfen. Das würde ich mir im Übrigen von allen Biberachern wünschen.
Unterschrift Foto: Die Fakten sind, dass wir in Biberach noch immer eine relativ ruhige Situation haben“, sagt Oberbürgermeister Norbert Zeidler Bild: Gerd Mägerle, ©Schwäbische Zeitung