Arbeit, Wohnung, Familiennachzug: Asylbewerber in Ochsenhausen setzen sich Ziele

    Ochsenhausen, 15.09.2016 (Daniel Häfele, ©Schwäbische Zeitung)

    Ochsenhausen sz
    Vor einem Jahr sind Hunderte Flüchtlinge in den Landkreis Biberach gekommen – auch nach Ochsenhausen.

    Viele Menschen diskutieren derzeit, was Deutschland bei der Flüchtlingsunterbringung und Integration geschafft hat. Die „Schwäbische Zeitung“ hat drei Flüchtlingsfamilien in Ochsenhausen besucht und sie gefragt, was sie seit ihrer Ankunft in Deutschland erreicht haben und welche Träume bislang unerfüllt blieben. Was alle eint: Sie wollen den Deutschen nicht länger auf der Tasche liegen.

    Ghazal Mohamed Fadhi: Seinen Sohn hat er noch nie im Arm gehalten

    Ghazal Mohamed Fadhi hat noch nie seinen kleinen Sohn in den Armen gehalten, seinen Geruch wahrgenommen oder seine Wärme gespürt. Der 29-Jährige flüchtete aus Syrien, als seine Frau schwanger war. Sein Ziel: Für seine kleine Familie einen Ort auf dieser Welt finden, an dem sie sich nicht ständig vor fallenden Bomben ängstigen müssen. Doch sein Plan ging nur teilweise auf. Ghazal Mohamed Fadhi lebt zwar seit einem Jahr und elf Monaten in Sicherheit in Ochsenhausen. Seine Frau und sein Sohn sitzen aber weiterhin in Syrien fest. „Ich habe täglich Angst um meine Frau und meinen Sohn“, sagt der junge Mann. Dass er seine Frau bislang nicht nachholen konnte, liegt nicht daran, dass die Bundesregierung den Familiennachzug bei Flüchtlingen mit subsidiären Schutz für zwei Jahre ausgesetzt hat.

    „Es gibt keine deutsche Botschaft in Syrien. Meine Frau und mein Sohn müssen irgendwie in den Libanon kommen, um ein Visum beantragen zu können“, sagt Ghazal Mohamed Fadhi. Zudem habe es mehr als ein Jahr gedauert, bis seine Frau einen Termin bei der deutschen Botschaft in Beirut bekam, erzählt er. Im Februar kommenden Jahres hat seine Frau nun einen Termin, wann sie letztlich in Ochsenhausen ankommt, ist unklar. Ghazal Mohamed Fadhi ist zumindest vorbereitet. Er hat seit April eine eigene Wohnung. Damit er vollständig auf eigenen Beinen stehen kann, muss er Arbeit finden. In Syrien arbeitete er als Apotheker, in Deutschland muss er wohl von vorne anfangen. Das stört ihn aber nicht: „Ich würde gerne eine Ausbildung zum Apotheker machen.“

    Laith Abdullah: Er sucht nach Arbeit und nach einer Wohnung

    Auch der 50-jährige Laith Abdullah möchte nicht länger auf Hilfe angewiesen sein. Derzeit lebt er mit seinem 15-jährigen Sohn und seiner 19-jährigen Tochter in der Gemeinschaftsunterkunft Birkenstraße in Ochsenhausen. Vor neun Monaten kam er nach Ochsenhausen, floh erst aus dem Irak nach Syrien und schließlich nach Deutschland. Seine Kinder gehen inzwischen zur Schule. „Ich hoffe, dass meine Kinder hier eine gute Zukunft haben“, sagt Laith Abdullah. Er hat vor vier Monaten eine Anerkennung erhalten und sucht seitdem – bislang jedoch vergeblich – eine Wohnung.

    Des Weiteren wünscht er sich, hier Arbeit zu finden. „Ich möchte etwas tun und nicht länger Kosten für die Deutschen verursachen“, sagt der Familienvater. Belastender als Arbeitsplatz- und Wohnungssuche ist für ihn aber, dass Frau und eine weitere Tochter in Damaskus leben. „Ein Visum für die beiden zu bekommen ist das kleinere Problem. Sie müssen dafür allerdings aus Syrien herauskommen. Doch das Reisen ist wegen des Terrors lebensgefährlich“, sagt Laith Abdullah. Gleichzeitig braucht seine Familie Geld für die Reise von Syrien in den Libanon, das ihnen jedoch fehlt. Ein Termin bei der deutschen Botschaft in Beirut wie bei Familie Fadhi gibt es bislang nicht.

    Somar Alfayad: Endlich wieder mit seinen Eltern vereint

    Mit seinen Eltern vereint ist inzwischen der 19-jährige Somar Alfayad aus Syrien wieder. Er und sein kleiner Bruder kamen als sogenannte unbegleitete minderjährige Ausländer im Sommer 2015 nach Deutschland. Es dauerte ein halbes Jahr, bis auch seine Eltern die Flucht aus Syrien geschafft hatten. „Wir haben jeden Tag auf sie gewartet“, erinnert sich Somar Alfayad. „Ich kann nicht beschreiben, was das für ein Gefühl war, als ich sie endlich in den Arm nehmen konnte.“ Er hat Anfang September eine Ausbildung zum Mechatroniker bei einer Laupheimer Firma begonnen. Dafür nimmt er einen langen Anfahrtsweg täglich in Kauf: Mit dem Bus geht es von Ochsenhausen zum Biberacher Bahnhof, von dort aus weiter mit dem Zug nach Laupheim. „Die ersten Tage haben mir gut gefallen“, sagt der 19-Jährige.

    Eigentlich wollte Somar Alfayad sein Abitur in Deutschland fertig machen doch wegen der Unterschiede im Bildungssystem entschied er sich für eine Ausbildung. In Syrien besuchte Somar Alfayad die elfte Klasse eines Gymnasiums. Auch seine 44-jährige Mutter, Samar Daud, hat in einem Erolzheimer Seniorenheim Arbeit gefunden. Zwar handelt es sich dabei um einen Ein-Euro-Job, trotzdem geht sie jeden Tag mit Freude zur Arbeit. Sie sagt: „Ich mag die Arbeit mit älteren Menschen.“ Für sie sei es ein erster Schritt in den deutschen Arbeitsmarkt.

    Unterschrift Foto: Somar Alfayas (19 Jahre) hat auf der Flucht aus Syrien seine Eltern verloren. In Ochsenhausen fanden sie sich wieder. Bild: Daniel Häfele, ©Schwäbische Zeitung