Sie kommen aus Pakistan und hoffen auf eine gute Zukunft in Deutschland. Shahid Pervaiz, Haris Ali, Servaiz Borat und Kashif Ali sitzen deshalb einmal in der Woche in der Sophie-La-Roche-Schule in Warthausen. Sie besuchen einen der vier Nachmittagssprachkurse für Flüchtlinge, die die Ehrenamtlichen in Warthausen anbieten. Bei Ingrid Hesse und Renate Hey-Lenk üben sie seit Mitte Januar Deutsch. Die Herausforderung dabei: Sie müssen die Sprache lernen, ohne dass die Wörter in ihre Muttersprache übersetzt werden.
Lesen und Schreiben zu lernen, das hatten sie eigentlich schon hinter sich. In Pakistan haben Shahid Pervaiz, Haris Ali, Shervaiz Borat und Kashif Ali als Kinder und Jugendliche die Schulbank gedrückt. Jetzt sitzen die vier Männer im Alter von 20 bis 25 Jahren wieder in einer Grundschule und fangen noch einmal von vorne an. Eine neue Sprache, eine neue Schrift.
„Deutsch ist schwierig“, sagt Shahid Pervaiz. Seine Muttersprache ist Urdu, die National- und Amtssprache Pakistans. Deren Schriftzeichen stellen eine Variante des persisch-arabischen Alphabeths dar. Besonders die lateinische Schrift findet Shahid Pervaiz schwer. Aber das schreckt ihn nicht ab. „Ich brauche die deutsche Sprache, wenn ich hier wohne“, sagt er. Zusammen mit den anderen Kursteilnehmern lebt er in der Gemeinschaftsunterkunft in Warthausen.
Aus Syrien, Iran, Irak, Pakistan, Somalia, Afghanistan und China kommen die Flüchtlinge, die zurzeit in den Containern in den „Unteren Stegwiesen“ untergebracht sind. Die offiziellen Integrationskurse, bei denen an mehreren Vormittagen in der Woche Deutschunterricht stattfindet, dürfen jedoch nicht alle besuchen. Die Kurse des Bundes wurden im November vergangenen Jahres für Asylbewerber „mit guter Bleibeperspektive“ geöffnet. Eine „gute Bleibeperspektive“ hätten „Menschen, die aus Herkunftsländern mit einer Schutzquote von über 50 Prozent kommen“, heißt es auf der Internetseite des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf). Eritrea, Irak, Iran und Syrien zählten laut Bamf 2015 zu diesen Herkunftsländern.
Pakistan gehört nicht dazu, deshalb können Shahid Pervaiz, Haris Ali, Servaiz Borat und Kashif Ali nicht in den offiziellen Integrationskursen Deutsch lernen. Ihnen bliebe nur der Versuch, sich die Sprache selbst beizubringen – gäbe es nicht die Warthauser Ehrenamtlichen.
Acht Helfer bieten an zwei Nachmittagen je zwei Sprachkurse an. Für Renate Hey-Lenk, pensionierte Lehrerin, und Ingrid Hesse, Chemikerin und Übersetzerin für Englisch, ist es eine Selbstverständlichkeit mitzuarbeiten. „Ich hoffe, dass wir den jungen Menschen so helfen können, sich bei uns ein bisschen besser zurechtzufinden“, sagt Renate Hey-Lenk. „Mein Vater sagte immer, was man gelernt hat, kann einem keiner mehr nehmen“, betont Ingrid Hesse.
Ihre vier pakistanischen Schüler sind motiviert. An dem Dienstag sitzen sie schon eine Viertelstunde vor Beginn im Klassenzimmer. Nach der Begrüßung wird erst einmal wiederholt. „Wie heißen Sie?“ fragen sich die jungen Männer gegenseitig. Danach zeigt Renate Hey-Lenk Zeichnungen von Lebensmitteln, Nudeln, Eier, Brot, Torte. „Das ist Kuchen“, sagt Shahid Pervaiz und tippt auf das Bild.
Zeichnungen spielen im Unterricht eine große Rolle. Denn Übersetzen in Urdu können die Kursleiterinnen nicht. Wo nötig, greifen sie auf Englisch zurück, da die Flüchtlinge teilweise etwas Englisch gelernt haben. Dazu passen auch die Lernmaterialien. Gearbeitet wird mit den Heften des „Thannhauser Modells“, einem speziell für Flüchtlinge ausgerichteten Deutschkurs, der auf Bilder und englische Untertitel setzt.
Renate Hey-Lenk und Ingrid Hesse gestalten den Unterricht locker. Die Übung zum Verbenbeugen verbinden sie mit einem Würfelspiel. Oder sie erkundigen sich nach den sportlichen Interessen ihrer Schüler. Shahid Pervaiz zählt sofort auf, wann Pakistan den Kricket- oder Hockey-WM-Titel geholt hat. Die Stimmung ist entspannt, es wird gelacht.
Shahid Pervaiz glänzt mit den besten Kenntnissen und sagt, wenn es beim Nebensitzer hakt, auch mal leise vor. „Einsagen ist schon in Ordnung“, nimmt es Renate Hey-Lenk gelassen. Die jungen Männer sind ja motiviert. Schließlich haben sie alle ein Ziel vor Augen. Als die Schüler einen „Wir möchten“-Satz formulieren sollen, hält sich Haris Ali nicht an die Bildchen von Schuhen und Autos. „Wir möchten arbeiten“, platzt es aus ihm heraus. „Hier leben und arbeiten“, schildern sie alle ihren Traum.
Ingrid Hesse greift das Thema auf. Die jungen Männer lernen ihre Berufsbezeichnungen auf Deutsch: Kfz-Mechatroniker, Schneider, Friseur. Dann ist der Unterricht schon vorbei. Shahid Pervaiz hätte gerne noch weitergemacht. Mit Hausaufgaben und ihrem Wunsch nach einen guten Leben in Deutschland im Gepäck, gehen sie in die Gemeinschaftsunterkunft.
Renate Hey-Lenk und Ingrid Hesse sind zufrieden mit dem Erreichten. „Sie haben einiges gelernt. Es ist schön, die Fortschritte zu sehen“, sagt Ingrid Hesse. „Sie sind so humorvolle junge Leute“, findet Renate Hey-Lenk. Sie hofft, dass die vier in Deutschland bleiben dürfen.
Unterschrift Foto: Ingrid Hesse übt mit Haris Ali (v.r.) Shahid Pervaiz und Kashif Ali (l.) deutsch. Bild: Birgit van Laak, ©Schwäbische Zeitung