Riedlingen sz
Deutsch sprechen und verstehen als Schlüssel zu einem selbstbestimmten Leben hier? Für Flüchtlinge stellt sich diese Aufgabe als großes Problem heraus. Auch hier versucht der Freundeskreis „Freunde für Fremde“ zu begleiten, zu helfen. Neben den offiziellen, verpflichtenden Kursen beim Kolping Bildungswerk und der Volkshochschule Donau-Bussen (Vhs) lehren Ehrenamtliche des Freundeskreises Deutsch im freiwilligen Unterricht.
Einen Deutschkurs für Erwachsene sofort anzubieten, noch ehe die Zusage für eine offizielle Schule kommt – daran arbeiten die Ehrenamtlichen des Freundeskreises. Sie sind der Meinung, Grundinformationen in der neuen Sprache sind unbedingt und sofort erforderlich, etwa zum Einkaufen, für Auskünfte. Auch eine Strukturierung des Tages und eine Beschäftigung ist für viele der Flüchtlinge mit dem Angebot verbunden. Allerdings mit unterschiedlicher Resonanz.
Freiwillig kommen die Flüchtlinge beispielsweise zum Kurs von Dr. Hartmut Pernice. Mittwochs ist er in der Gammertinger Straße; montags übernimmt Kiky Weiß die Gruppe. Sie machen ihr Angebot im ersten Stock. Unterschiedlich viele Teilnehmer finden sich bei ihnen ein; manchmal sind es zwölf, ein anderes Mal fünf. Mit viel Geduld und noch mehr Improvisation arbeiten die Ehrenamtlichen hier – und trotzdem sagt Pernice: „Es ist spannend, diese Menschen kennen zu lernen, ihre Geschichte zu hören.“
Begrüßung per Handschlag
Jeder der Flüchtlinge begrüßt seinen Lehrer mit Handschlag und einem freundlichen Hallo. „Wir sehen unsere Kurse als Vorläufer für die offiziellen Kurse“, sagt Pernice. Sie vermitteln Grundkenntnisse. Nach anfangs insgesamt 70 Teilnehmern haben sie inzwischen einen festen Stamm von sechs bis zehn. Ihre Gruppe ist gemischt aus mit einem Schulleben Vertrauten und Analphabeten, die noch nie oder nur über kurze Zeit in ihrem Heimatland eine Schule besucht haben. Ihnen versucht Pernice das lateinische Alphabet beizubringen, Buchstaben, dann Silben, dann Wörter zu lesen.
Der andere Teil der Gruppe ist da bereits deutlich weiter; sie können sogar den deutschen Begriff im eigenen Block zum Lernen und Wiederholen in arabischen Schriftzeichen und von rechts nach links dazu notieren. Pernice sagt: „Wir versuchen, beiden Gruppen gerecht zu werden. Das ist aber nicht so einfach.“
Gemeinsam lesen und sprechen die erwachsenen Schüler die Buchstaben mit den dazu passenden Nomen, finden eigene Beispiele. Teilweise flüssig und glatt, teilweise mühsam und mit mehrmaligem Wiederholen. Gegenseitig unterstützen sie sich, helfen bei schwierigen Lauten. Sprache zu lernen sei ein langwieriger Prozess, meint Pernice. Und vor allem, wenn das Schreiben der lateinischen Buchstaben nicht selbstverständlich ist. Hoch motiviert seien seine Schüler dennoch. Und einige seien fleißig und kommen gut voran, andere tun sich schwerer: wie in einer richtigen Schulklasse.
Das Lehrmaterial – Arbeitsblätter mit Linien und Vordrucken, Arbeitshefte für die Besseren – orientiere sich am Lehrwerk der Integrationskurse, sagt Pernice. Mit Hilfe von Caritas und dem Landratsamt Sozialdienst Asyl (LRA) werden die Materialien beschafft; oft helfe auch das Internet. Gedacht war das Angebot an Deutschunterricht durch die Ehrenamtlichen des Freundeskreises als Nachhilfe, als Hausaufgabenhilfe, ergänzend zu den vormittags stattfindenden Deutschkursen.
Nachdrücklich bemühe sich das LRA, alle Flüchtlinge möglichst schnell in einen regulären Deutschkurs für Erwachsene bei den ausgewählten Bildungsträgern zu schicken, sagt der Leiter der Vhs Eberhard Schneider. Einen niedrigschwelligen Kurs zur Vermittlung von Grundkenntnissen und einen Alphabetisierungskurs bietet die Vhs zurzeit an. Acht Wochen dauert ein niedrigschwelliger Kurs mit dem A1-Abschluss, der Alphabetisierungskurs doppelt so lange. Ab Herbst kann die Vhs einen Integrationskurs einrichten.
Homogene Gruppen
Beim Kolping Bildungswerk laufen zurzeit zwei der ABC-Kurse mit jeweils 16 Schülern, ein niedrigschwelliger Kurs und drei Integrationskurse (Abschluss B1), davon zwei von Montag bis Freitag am Vormittag und einer in Teilzeit. Je 25 Schüler sitzen in diesen Klassen. Die ABC-Kurse, sagt Schulleiterin Bettina Schmidtke vom Kolping Bildungswerk, seien auch für Flüchtlinge gedacht, die noch keine Schulzulassung haben. Zur Vorbereitung, zur Überbrückung, zur Strukturierung, zur Beschäftigung mit der neuen Sprache.
In allen offiziellen Kursen und bei beiden Schulen ist die Teilnahme verpflichtend; bei einer Verhinderung muss sich der Schüler abmelden. „Das funktioniert eigentlich recht gut“, sagt Schneider. Und allen Kursen vorangestellt ist ein Einstufungstest. So sollen homogene Gruppen entstehen, die auf ähnlichem Niveau arbeiten können – und die Schüler in der neuen Sprache zum Erfolg führen.
Unterschrift Foto: Dr. Hartmut Pernice mit seinen Schülern. Bild: Eva Winkhart, ©Schwäbische Zeitung