Riedlingen sz
Was im Sport-, im Musik und im Jugendarbeitsbereich bereits angegangen wird, kommt nun auch auf Helfer in der Flüchtlingsarbeit zu: Ehrenamtliche müssen künftig ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis vorlegen. Damit soll der Schutz von Minderjährigen erhöht werden. Darüber wurden die Ehrenamtlichen im Raum Riedlingen diese Woche informiert. Das sorgt unter den Helfern für ein Rumoren. Doch Bernd Schwarzendorfer, Pressesprecher des Landratsamts, betont: „Wir müssen das machen, wir sind gesetzlich dazu verpflichtet.“
Mit der Regelung soll der Schutz von Minderjährigen erhöht werden. Denn die Pflicht ein erweitertes, polizeilichen Führungszeugnis vorzulegen, soll die Beschäftigung von einschlägig vorbestraften Bewerbern und Bewerberinnen in sensiblen Bereichen verhindern. In dem Zeugnis sind auch Straftaten aufgelistet, die vornehmlich Kinder- und Jugendliche berühren, etwa die Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht, Missbrauch von Schutzbefohlenen oder Besitz von pornografischen Daten. Dieses Führungszeugnis ist fünf Jahre gültig.
Aber dass dies nun von jedem Ehrenamtlichen vorgelegt werden muss, sorgt bei den Helfern in Riedlingen und Altheim teilweise für großes Unverständnis. So wie beim Riedlinger Stadtrat Roland Uhl. Er überlegt sich, sein Engagement komplett aufzugeben. Denn in der neuen Regelung sieht er ein Misstrauensvotum gegenüber den Ehrenamtlichen. Und eine bürokratische Unsinnstat. „Ich halte das für einen Witz“. Man arbeite doch mit Erwachsenen, sagt er. Aus seiner Sicht kann durch das Führungszeugnis nicht verhindert werden, dass jemand eine entsprechende Straftat begeht. Aber die Behörden könnten sich nun aus der Verantwortung ziehen. „Vor einem Jahr war man noch über jeden froh, der mitgeholfen hat. Nun hat die Bürokratie wieder Oberwasser.“
„Wir müssen das machen“, sagt dagegen Schwarzendorfer und verweist auf das Asylgesetz, das im März geändert wurde (siehe extra Kasten). Damit muss der Kreis als Träger der Einrichtung dafür Sorge tragen, dass dies umgesetzt wird. Denn das juristische „sollen“ bedeutet: Man muss es umsetzen, außer es liege ein atypischer Fall vor. Doch den kann das Landratsamt nicht erkennen.
Gemeinsam mit der ökumenischen Flüchtlingsarbeit (ÖFA) wurde eine Regelung für die Umsetzung entwickelt. So wird in diesem Zuge auch ein Mitarbeiterausweis für die Ehrenamtlichen eingeführt. Wer den Ausweis beantragt, dessen Name wird ans Landratsamt weitergegeben. Der Ehrenamtliche erhält einen Brief, mit dem er sein erweitertes Führungszeugnis beim Rathaus beantragt. Das ist kostenfrei. Wenn es da ist, zeigt es der Ehrenamtliche dem zuständigen ÖFA-Mitarbeiter und der hakt dies in einer Liste ab. Das Landratsamt sehe das Führungszeugnis nicht, so Schwarzendorfer.
„Es ist auf keinen Fall ein Misstrauensvotum“, sagt Pfarrer Matthias Ströhle, der beim Thema Flüchtlinge Ansprechpartner im evangelischen Kirchenbezirk ist. „Mitarbeiter leisten eine wichtige Arbeit“, sagt er und findet es bedauerlich, dass man sie mit diesen Dingen belästigen müsse, zumal sich viele über diese bürokratischen Zusatzlasten ärgern, aber: „Es geht nicht anders.“ Dass das Führungszeugnis keinen 100-prozentigen Schutz bietet, weiß auch er und nennt es „Feigenblatt“. Aber Ströhle wendet es positiv: Es sei auch ein gewisses Qualitätsmerkmal. Denn Kinder und Jugendliche sind in einem großen Abhängigkeitsverhältnis. „Das ist eine sehr verletzbare Gruppe“. Mit dem Führungszeugnis wird dem Rechnung getragen. Aber für ihn muss ein nächster Schritt folgen: Dass die Ehrenamtlichen geschult werden, wie man Missbrauch erkennen kann.
Aber es sind nicht nur die Flüchtlingshelfer betroffen, sondern alle Ehrenamtlichen in Vereinen, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten. Auch dort gibt es Vorbehalte. „Damit wird Verantwortung auf das Ehrenamt abgeschoben“, sagt Waltraud Wolf, Ansprechpartnerin für den Freundeskreis Asyl Altheim und zugleich Vorsitzende des Fördervereins der Conrad Graf-Musikschule. Denn bei Vereinen ist der Vorsitzende dafür verantwortlich, dass diese Regelungen umgesetzt werden. Das ist auch in einer Vereinbarung enthalten, die der Verein unterschreiben soll.
Im Sportkreis
Im Sportkreis wurde bereits im vergangenen Jahr mit der Umsetzung der Richtlinie begonnen. In mehreren Informationsrunden wurden die Vereine darauf eingeschworen. Am Anfang sei das Rumoren da gewesen, sagt die Sportkreispräsidentin Elisabeth Strobel. Doch beim einen schneller, beim anderen langsamer habe sich der Pragmatismus durchgesetzt. Nun müssen die Vereine diejenigen Mitarbeiter benennen, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten und können dann in einer Sammelauflistung das Führungszeugnis beantragen. Letztlich ist dann der Vereinsvorsitzende dafür verantwortlich, dass dieses vorliegt und dann auch alle fünf Jahre erneuert wird.
Hintergrund: Das Gesetz
Im Asylgesetz, das am 11. März 2016 verabscheidet wurde, heißt es in Paragraf 44, Absatz 3, Satz 2: „Träger von Aufnahmeeinrichtungen sollen sich von Personen, die in diesen Einrichtungen mit der Beaufsichtigung, Betreuung, Erziehung oder Ausbildung Minderjähriger oder mit Tätigkeiten, die in vergleichbarer Weise geeignet sind, Kontakt zu Minderjährigen aufzunehmen, betraut sind, zur Prüfung, ob sie für die aufgeführten Tätigkeiten geeignet sind, vor deren Einstellung oder Aufnahme einer dauerhaften ehrenamtlichen Tätigkeit und in regelmäßigen Abständen ein Führungszeugnis (....) vorlegen lassen.“
Unterschrift Foto: Die Pflicht, dass beim Kontakt mit Minderjährigen ein erweitertes Führungszeugnis notwendig ist, ist gesetzlich geregelt Bild: archiv: dpa, ©Schwäbische Zeitung