Khaldoun ist 32, stammt aus Aleppo in Syrien, hat Frau und Kinder zu Hause und hat als Lehrer gearbeitet. Muhamad stammt aus der Nachbarstadt Lattakia, hat dort ein Haus gebaut, studierte englische Literatur und hat als Privatlehrer gearbeitet. Seit Freitag sind die Beiden nun in Riedlingen. Sie sind zwei der nun 45 Flüchtlinge im ehemaligen Flurneuordnungsamt. Wegen des Kriegs in ihrem Land haben sie sich auf den Weg ins ferne Deutschland gemacht.
„Wir waren gezwungen das Land zu verlassen“, sagen sie. Denn Syrien ist zerrissen vom Krieg. Dabei laufen die Fronten quer durch das Land. Dort gebe es nicht nur zwei Kriegsparteien, sondern vier. Die Armee des Diktators Assad, die Truppen der Opposition, dazu die Armee des Islamischen Staats (IS) und auch die PKK, erzählen die beiden in sehr gutem Englisch. Männer werden gezwungen Kriegsdienst zu leisten. Und sie müssen sich letztlich für eine Seite entscheiden, und sich deren Regeln unterwerfen. Es klingt nach der Wahl zwischen Pest und Cholera. Einziger Ausweg, den sie sahen: Flucht.
Wie so viele haben sie ihre Familien verlassen und den Weg nach Europa angetreten, um aus den Klauen von Assad oder des IS zu kommen. Auf den IS sind die Syrer in Riedlingen überhaupt nicht gut zu sprechen. „Die halten zwar den Koran hoch, aber handeln nicht danach“, sagt Muhamad, der wie die anderen Muslim ist. Die Soldaten der IS seien auch keine Syrer, sondern Söldner aus anderen Staaten. Die IS töte wahllos, Andersgläubige sowieso. Nur einen Kilometer von Aleppo entfernt war die IS, erzählt Khaldoun und weiß von Gräueltaten zu berichten.
So haben die Männer Hab und Gut verkauft, um die Reise teilweise mehrer Tausend Euro kostete, bezahlen zu können. Die meisten haben die gleiche Route gewählt: Libanon, Türkei, Griechenland, Mazedonien, Serbien, Ungarn und Österreich. Manche waren 14 Tage unterwegs, wie Muhamad, andere drei Monate. Und alle können oder könnten Geschichten erzählen, über Situationen die lebensgefährlich waren, von Bedrohungen durch die Polizei, von Gefängnisaufenthalten, dass sie Drangsal und Druck ausgesetzt waren. Das Erlebte sprudelt aus ihnen heraus. Sie erzählen von Schleppern, die sie auf ihrer Reise bedrohten. Dass Flüchtlinge in der Türke ins Gefängnis gesteckt wurden. Von Taxifahrern in Ungarn, die sich an den Flüchtlingen bereichern und für eine Fahrt in die Hauptstadt von jedem Flüchtling 500 Euro wollen. Oder von der lebensgefährlichen Schiffsüberfahrt. In kleinen Nussschalen, mit 60 oder 70 Leuten besetzt.
Eine weitere Klippe für die meisten war der Übergang von Serbien über Ungarn nach Österreich. In Ungarn waren überall Polizisten. Muhamad hat sich mit Freunden lange Zeit im Wald versteckt. Neun Stunden sind sie weiter gelaufen, ohne Essen und Trinken, bis sie sich wieder sicherer wähnten. In Budapest ging es dann im Zug nach Österreich. Er wurde nicht angehalten.
„Ich hatte Angst, auf dem Meer zu sterben“, sagt ein anderer Syrer, der nun in Riedlingen. der 54-Jährige ist bereits 2011 aus Syrien nach Ägypten geflohen, seine Frau und zwei Kinder musste er dort zurücklassen. Zwei Kinder von ihm leben in Berlin, wo er auch hin will. Er berichtet, dass er sich in einem Boot mit über 400 Menschen an Bord nach Italien aufmachte. Das Boot war völlig überladen. Sie waren Tage unterwegs ohne Lebensmittel. Andere Boote sind gekentert, erzählt er. Einige Menschen wurden von der Küstenwache aus dem Meer herausgefischt, andere konnten zurückschwimmen. Viele sind ertrunken.
Aber warum Deutschland? „Frau Merkel hat uns doch eingeladen“, sagt Muhamad. Er selbst wäre lieber nach Großbritannien gegangen, weil er hoffte, dort sein Studium weiterführen zu können. Aber Großbritannien will keine Flüchtlinge aufnehmen.
So sind sie nun in Riedlingen gelandet – und sind dankbar darüber. „Die Menschen sind freundlich“, erzählen sie. Die 45 Syrer wollen möglichst schnell hier heimischer werden. Eifrig lernen sie mit ihren Smartphones via „Youtube“ deutsch. Sie wollen nicht herumsitzen, sondern lernen, etwas tun. Sie wollen sich nützlich machen und auch arbeiten.
Natürlich würden sie gern wieder heim in ein demokratisches Syrien. Heim zu ihren Familien, denen sie den gefährlichen Weg nicht zugemutet haben und die derzeit noch in Syrien leben. Aber solange das nicht möglich ist, wollen sie hier Arbeit finden und hier eine Zukunft aufbauen, denn „in Syrien haben wir im Moment keine Zukunft.“
(Bruno Jungwirth, ©Schwäbische Zeitung)Khaldoun ist 32, stammt aus Aleppo in Syrien, hat Frau und Kinder zu Hause und hat als Lehrer gearbeitet. Muhamad stammt aus der Nachbarstadt Lattakia, hat dort ein Haus gebaut, studierte englische Literatur und hat als Privatlehrer gearbeitet. Seit Freitag sind die Beiden nun in Riedlingen. Sie sind zwei der nun 45 Flüchtlinge im ehemaligen Flurneuordnungsamt. Wegen des Kriegs in ihrem Land haben sie sich auf den Weg ins ferne Deutschland gemacht.
„Wir waren gezwungen das Land zu verlassen“, sagen sie. Denn Syrien ist zerrissen vom Krieg. Dabei laufen die Fronten quer durch das Land. Dort gebe es nicht nur zwei Kriegsparteien, sondern vier. Die Armee des Diktators Assad, die Truppen der Opposition, dazu die Armee des Islamischen Staats (IS) und auch die PKK, erzählen die beiden in sehr gutem Englisch. Männer werden gezwungen Kriegsdienst zu leisten. Und sie müssen sich letztlich für eine Seite entscheiden, und sich deren Regeln unterwerfen. Es klingt nach der Wahl zwischen Pest und Cholera. Einziger Ausweg, den sie sahen: Flucht.
Wie so viele haben sie ihre Familien verlassen und den Weg nach Europa angetreten, um aus den Klauen von Assad oder des IS zu kommen. Auf den IS sind die Syrer in Riedlingen überhaupt nicht gut zu sprechen. „Die halten zwar den Koran hoch, aber handeln nicht danach“, sagt Muhamad, der wie die anderen Muslim ist. Die Soldaten der IS seien auch keine Syrer, sondern Söldner aus anderen Staaten. Die IS töte wahllos, Andersgläubige sowieso. Nur einen Kilometer von Aleppo entfernt war die IS, erzählt Khaldoun und weiß von Gräueltaten zu berichten.
So haben die Männer Hab und Gut verkauft, um die Reise teilweise mehrer Tausend Euro kostete, bezahlen zu können. Die meisten haben die gleiche Route gewählt: Libanon, Türkei, Griechenland, Mazedonien, Serbien, Ungarn und Österreich. Manche waren 14 Tage unterwegs, wie Muhamad, andere drei Monate. Und alle können oder könnten Geschichten erzählen, über Situationen die lebensgefährlich waren, von Bedrohungen durch die Polizei, von Gefängnisaufenthalten, dass sie Drangsal und Druck ausgesetzt waren. Das Erlebte sprudelt aus ihnen heraus. Sie erzählen von Schleppern, die sie auf ihrer Reise bedrohten. Dass Flüchtlinge in der Türke ins Gefängnis gesteckt wurden. Von Taxifahrern in Ungarn, die sich an den Flüchtlingen bereichern und für eine Fahrt in die Hauptstadt von jedem Flüchtling 500 Euro wollen. Oder von der lebensgefährlichen Schiffsüberfahrt. In kleinen Nussschalen, mit 60 oder 70 Leuten besetzt.
Eine weitere Klippe für die meisten war der Übergang von Serbien über Ungarn nach Österreich. In Ungarn waren überall Polizisten. Muhamad hat sich mit Freunden lange Zeit im Wald versteckt. Neun Stunden sind sie weiter gelaufen, ohne Essen und Trinken, bis sie sich wieder sicherer wähnten. In Budapest ging es dann im Zug nach Österreich. Er wurde nicht angehalten.
„Ich hatte Angst, auf dem Meer zu sterben“, sagt ein anderer Syrer, der nun in Riedlingen. der 54-Jährige ist bereits 2011 aus Syrien nach Ägypten geflohen, seine Frau und zwei Kinder musste er dort zurücklassen. Zwei Kinder von ihm leben in Berlin, wo er auch hin will. Er berichtet, dass er sich in einem Boot mit über 400 Menschen an Bord nach Italien aufmachte. Das Boot war völlig überladen. Sie waren Tage unterwegs ohne Lebensmittel. Andere Boote sind gekentert, erzählt er. Einige Menschen wurden von der Küstenwache aus dem Meer herausgefischt, andere konnten zurückschwimmen. Viele sind ertrunken.
Aber warum Deutschland? „Frau Merkel hat uns doch eingeladen“, sagt Muhamad. Er selbst wäre lieber nach Großbritannien gegangen, weil er hoffte, dort sein Studium weiterführen zu können. Aber Großbritannien will keine Flüchtlinge aufnehmen.
So sind sie nun in Riedlingen gelandet – und sind dankbar darüber. „Die Menschen sind freundlich“, erzählen sie. Die 45 Syrer wollen möglichst schnell hier heimischer werden. Eifrig lernen sie mit ihren Smartphones via „Youtube“ deutsch. Sie wollen nicht herumsitzen, sondern lernen, etwas tun. Sie wollen sich nützlich machen und auch arbeiten.
Natürlich würden sie gern wieder heim in ein demokratisches Syrien. Heim zu ihren Familien, denen sie den gefährlichen Weg nicht zugemutet haben und die derzeit noch in Syrien leben. Aber solange das nicht möglich ist, wollen sie hier Arbeit finden und hier eine Zukunft aufbauen, denn „in Syrien haben wir im Moment keine Zukunft.“