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    Angelika Eyrich über Weihnachten und Menschen, die fliehen mussten

    Laupheim, 24.12.2015 (Angelika Eyrich, ©Schwäbische Zeitung)

    Laupheim sz
    Weihnachten – ein Fest, das man eigentlich mit seinen Liebsten verbringt. Eigentlich. Einige von uns mussten sich dieses Jahr von ihren Lieben trennen. Der Tod hinterlässt eine Lücke, die nicht wieder gefüllt werden kann. Trotzdem feiern wir in Deutschland Weihnachten, die Geburt von Jesus.

    Viele nennen Weihnachten nur noch das „Fest der Liebe“. Jesu Geburt spielt dabei fast keine Rolle mehr. Viele werden Weihnachten trotz Verlusten so feiern wie jedes Jahr.

    Für mich ist Weihnachten dieses Jahr anders. Durch meine Arbeit bei der Diakonie und als Teil der ökumenischen Flüchtlingsarbeit im Landkreis Biberach habe ich einige Flüchtlinge kennen gelernt. Menschen aus dem Kosovo, aus Gambia, Syrien, Eritrea und vielen anderen Ländern. Einige Christen sind darunter und viele Moslems. Ich frage mich, wie Weihnachten für sie wird. Neu? Traurig? Schön? Anders? Einsam? Ein Tag von vielen?

    Ich entdecke immer mehr Parallelen zwischen der Bibel und den hier lebenden Flüchtlingen. Auch Jesus war ein Flüchtling. Maria und Josef sind mit ihm nach Ägypten geflohen, weil Jesus sonst getötet worden wäre. Doch es gibt eine Parallele, die noch vor Jesu Geburt besteht: die Suche nach einer Herberge, nach einer Unterkunft, einem Platz zum Schlafen, einem Dach über dem Kopf, nicht immer nur weitergeleitet zu werden. Mit dem Stall, in dem Maria und Josef dann untergekommen sind, hatten sie keine komfortable Unterkunft – aber eine Unterkunft, in der etwas Wunderbares geschehen sollte: die Geburt des Heilands Jesus Christus.

    Die Flüchtlinge, die zu uns kommen, verlassen ihre Heimat wegen Krieg, Terror, Verfolgung, Armut, Folter. Oft sind sie mehrere Monate unterwegs, ohne Obdach. Viele kommen in Deutschland an. Sie kommen in große Unterkünfte mit vielen anderen Flüchtlingen und wenig Platz. Oft dauert es lange, bis sie an einen Ort kommen, an dem sie sich wohl fühlen können, ein Ort, der ihre Herberge ist. An dem sie das Wunder erleben dürfen, dass es hier Menschen gibt, die sich um sie kümmern, die sie vielleicht sogar zu Weihnachten zu sich nach Hause einladen. In diesem Sinn ist die Bezeichnung „Fest der Liebe“ doch wieder passend.

    Es ist toll zu sehen, wie in vielen Gemeinden des Landkreises ein großes Engagement für Flüchtlinge da ist. Für Menschen, die eine lange Zeit auf der Suche nach einer sicheren Herberge waren. Lasst uns hoffen, dass alle Menschen – Menschen, die dieses Jahr einen ihrer Lieben gehen lassen mussten, Menschen, die fliehen mussten, und wir alle – besinnliche und besondere Weihnachten haben können.

    Zur Person

    Angelika Eyrich, 26, ist als Sozialarbeiterin bei der Diakonie in Biberach angestellt. Sie koordiniert die Ehrenamtlichen in der Flüchtlingsarbeit im östlichen Teil des Landkreises. Die Pfarrerstochter aus Wain hat an der Evangelischen Hochschule Ludwigsburg studiert.

    Unterschrift Foto: Die Flüchtlingskinder kommen gern zu ihr: Angelika Eyrich in ihrem Büro im Wohnheim des Laupheimer Krankenhauses. Bild: Roland Ray, ©Schwäbische Zeitung