Ein wichtiges und in Riedlingen gut funktionierendes Integrationsmodul ist die Hausaufgabenbetreuung für Flüchtlingskinder. 15 Frauen, zwei Männer, vier Schüler arbeiten von Montag bis Freitag an den Nachmittagen mit den Sechs- bis Zwölfjährigen. Jeder ein Mal pro Woche. Ehrenamtlich, nur die Schüler erhalten eine kleine Aufwandsentschädigung.
Im großen Raum im ersten Stock des Backsteingebäudes an der Gammertinger Straße herrscht Arbeitsatmosphäre. An Tischgruppen sitzen die kleinen Gruppen in relativer Ruhe: eine Betreuung mit meist zwei Kindern, manchmal mit einem, selten mit drei. Hell ist der Raum, groß, zentral gelegen – der richtige Ort. Der Freitag ist der Nachmittag mit der höchsten Belegung; an Freitagen gibt es in den Schulen keinen Nachmittagsunterricht, keine eigene Hausaufgabenbetreuung.
Deutsch ist die selbstverständliche Sprache hier. Selma Quertani, Schülerin am Gymnasium, beaufsichtigt bei Youssef die Hausaufgaben im Rechtschreiben aus dem Sprachbuch, bei Abdul Mathematik. Regelmäßig kommt sie hierher, bildet die kleine Gruppe um sich. Legt den Finger auf den Fehler, erklärt mit leiser Stimme, mahnt zur Konzentration: „Die Jungs lassen sich leicht ablenken.“ Die längste Zeit arbeiten die Schüler selbstständig. Auch Raveen und Rawan, beide aus Syrien, und Elias – alle drei sind Schüler des Kreisgymnasiums – arbeiten mit ihren Gruppen. Die zu betreuenden Schüler kämen spontan auf sie zu: „Kannst du mir helfen?“
Seit im Frühjahr 2014 die ersten Flüchtlingsfamilien in die Gemeinschaftsunterkunft am Vogelberg kamen, gibt es die Hausaufgabenbetreuung. Gudrun Liebhart hat sie zusammen mit Gudrun Fauler und Helga Elser ins Leben gerufen. Anfangs wurde im Gemeinschaftsraum am Vogelberg gearbeitet, dann wurden die Betreuungsnachmittage ins Hinterhaus in der Gammertinger Straße verlegt, nun in den hellen Raum nach vorne. Nach und nach habe sich der Kreis erweitert, neue Helfer sind dazu gekommen, andere ausgeschieden, sagt Annerose Tangermann. Sie koordiniert inzwischen das Angebot, sorgt für Ersatz bei Ausfällen durch Krankheit, durch Urlaub, durch andere Termine.
Aus allen Berufsgruppen kommen die Helfenden: Lehrer, Ärzte, Verwaltungsfachleute, Hausfrauen, Bankangestellte – meist im Ruhestand, jedoch nicht alle. Als Anstoß des Engagements hier, höre sie: „Ich hab keine Enkel“ oder „Ich hab keine Enkel hier“ oder einfach: „Es macht mir Spaß mit den Kindern zu arbeiten.“ Es wird gearbeitet – mehr oder weniger konzentriert, mit mehr oder weniger Strenge ermahnt, gelobt, wie bei Kindern überall auf der Welt –, aber auch gelacht und diskutiert, Probleme besprochen, erzählt. „Wer weiß schon, was die Kinder erlebt haben!“, sagt Annerose Tangermann. Und es werde viel zu selten, ergänzt sie bedauernd, gespielt. Aus Zeitgründen. Die Hausaufgaben sind zeitintensiv und umfangreich.
Als Hilfe zum Fußfassen in einer neuen Heimat sehen die Betreuer ihr Angebot an die Kinder, als Integrationshilfe. „Wir bewirken etwas“, ist sich Elisabeth Koch sicher. Sie sehe häufig eine Verbesserung, auch in ihrem kleinen Nachhilfeunterricht, den sie eben mit dem Erstklässler an ihrer Seite erledigt. Die eigenen Eltern sind häufig nicht dazu in der Lage, aus unterschiedlichen Gründen. Einen weiteren Aspekt des Antriebs zur Mitarbeit hier fügt Lissy Mayer hinzu: „Es ist interessant und spannend zu sehen, wie die Schüler heute lernen.“ Geduld und Einfühlungsvermögen seien notwendig; es gebe jedoch auch viel Abwechslung und Training für das eigene Gehirn. Und nicht nur Christiane Apel schüttelt manches Mal den Kopf über die Andersartigkeit der Schulbücher, der Formulierungen, der Arbeitsblätter heute. Ein „Dazulernen“, nennt sie es dennoch.
Unterschrift Foto: Auch am Freitagnachmittag wird intensiv an den Hausaufgaben gearbeitet in der Gammertinger Straße. Bild: Eva Winkhart, ©Schwäbische Zeitung