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    Serien-Auftakt am Weltflüchtlingstag: Betreuung von Flüchtlingen - Viele Bürger kümmern sich um die Neuankömmlinge

    Riedlingen, 20.06.2016 (Eva Winkhart, ©Schwäbische Zeitung)

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    Riedlingen - Flüchtling, Asyl, Krieg, Unterbringung, Lager, Integration: Begriffe, die in den vergangenen Monaten jeder benützt, die in Nachrichten und Zeitungen täglich auftauchen. Auch in Riedlingen. Selbst wenn die Zahl der Flüchtlinge in den vergangenen Wochen und Monaten gesunken ist, die Betreuung der Menschen, die bereits hier sind, läuft weiter. In einer losen Serie stellen wir die Betreuungsangebote und die Menschen dahinter vor. Heute am Weltflüchtlingstag erfolgt die Auftaktgeschichte: über den Ort, an dem viele Fäden zusammenlaufen – das Ordnungsamt.

    Viele Personen beteiligen sich am Gelingen der Aufnahme von fremden, der Hilfe bedürftigen Menschen aus anderen Kulturkreisen – von berufswegen, freiwillig, ehrenamtlich. Manche ständig, andere sporadisch. Viel wird ihnen abverlangt an Zeit und Nerven; viel Dankbarkeit, viel Interessantes und Menschliches erfahren sie im Gegenzug. Riedlingen ist weltoffen geworden. Vieles gelingt. An manchem scheitern die Hilfsangebote. Menschlich eben.

    Bei Tanja Bloching, Leiterin des Ordnungsamtes im Rathaus Riedlingen seit acht Jahren, und ihrer Kollegin Julia Müller laufen zahlreiche Wege zusammen. Sie vermitteln Kontakte in alle Richtungen: für Wohnungen, für Arbeitsplätze, für Schulen und Schulungen, für Ein-Euro-Jobs. In Absprachen mit ihren Kollegen koordiniert Bloching die gebotenen Möglichkeiten. Sie kennt sich aus, weiß um die gut funktionierenden Seiten wie die problematischeren – und ist sehr engagiert. Mit Herzblut und gern tue sie ihre Arbeit, versichert sie. Seit etwa zwei Jahren hat dieser Teil ihrer Arbeit zugenommen; deutlich intensiver sei er seit einem Jahr gewachsen. Die Philosophie der Stadt zur Thematik der Flüchtlinge sei, so Bloching: „Es sind Riedlinger Einwohner und es ist wichtig, dass sie sich in Riedlingen wohl fühlen und dass ihr Leben hier funktioniert.“ Die Zahl der Problemfälle sei, prozentual gesehen, rückläufig. „Spitzbuben gibt es immer und überall!“, sagt sie schmunzelnd.

    Ihre Hauptaufgabe besteht in der Anschlussunterbringung, der Vermittlung von Wohnungen. Früher waren es ausschließlich Obdachlose, die dafür bei ihr vorsprachen. Inzwischen haben auch deren Zahlen zugenommen, deutlich mehr Frauen mit und ohne Kinder seien darunter. Sie würden genau gleichwertig behandelt wie die bei ihr registrierten Flüchtlinge. Stadteigene Wohnungen und Wohnraum der Hospitalpflege waren für die Unterbringung vorhanden. „Jetzt ist es rum!“, sagt Bloching. Ein Aufruf an die Öffentlichkeit, Wohnraum zur Verfügung zu stellen, habe wenig gebracht. Glücklicherweise aber ein Haus, das sie der durch den Brand in der Weilerstraße obdachlos gewordenen Familie zur Verfügung stellen konnte.

    Die dezentrale Unterbringung, in Riedlingen bisher die Regel, sieht sie als sehr positiv. Für die fremde Familie, den fremden Mitbewohner gebe es Nachbarn, die für erste essentielle Fragen zuständig sein können: Wie komme ich an einen Mülleimer? Welches ist der sichere Schulweg? Wo kaufe ich ein? Anfangs, weiß Bloching, habe es gewisse Schwierigkeiten gegeben. Interessanterweise lösten sich die Vorbehalte gegenüber den Fremden auf, sobald die Menschen sich kennen lernten. „Sobald man jemanden kennt, betrachtet man den ganz anders: als Mensch!“, weiß sie. Oft seien die älteren Nachbarn nach kurzer Zeit wie Oma und Opa, die jüngeren zu Freunden geworden. Von beiden Seiten müsse jedoch die Bereitschaft kommen. Ein Lernprozess könne so begleitet werden; etwa, dass nicht wegen einer defekten Glühbirne das Rathaus einschreiten müsse. In der Vergangenheit habe es wenige Fälle gegeben, in den sie „Klartext“ habe reden müssen. Aber: „Niemand wird verhätschelt!“

    Ohne die zahlreichen Ehrenamtlichen, sagt Bloching, sei das aber alles nicht schaffbar: „Ohne unser Ehrenamt wären wir schon lange aufgeschmissen!“ Das funktioniere hier ohne Einschränkungen; der Freundeskreis „Freunde für Fremde“ leiste Großes. Die evangelische und die katholische Kirchengemeinde, die Caritas Biberach-Saulgau, der Sozialdienst Asyl des Landratsamtes unterstützten vielseitig und jederzeit. Die vom Gemeinderat jüngst beschlossene Stelle eines Flüchtlingsbeauftragten sei unbedingt notwendig und sinnvoll. So könnten an einer Stelle alle Belange gebündelt werden – die der Flüchtlinge wie der Bevölkerung.

    Unterschrift Foto: Tanja Bloching Bild: Eva Winkhart, ©Schwäbische Zeitung