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    Verantwortliche von Amtsgericht, Staatsanwaltschaft und Gefängnis sehen keinen Grund zur Beunruhigung

    Überregional, 27.01.2016 (Karin Kiesel, ©Schwäbische Zeitung)

    Ravensburg sz
    Das Sicherheitsempfinden der Menschen in Deutschland hat sich in den vergangenen Monaten und vor allem seit der Silvesternacht in Köln massiv verschlechtert. Auch in Oberschwaben rüsten die Bürger in Sachen Selbstschutz auf und kaufen Pfefferspray, Schlagstöcke oder Schreckschusspistolen. Laut Polizei hat der Anstieg der Flüchtlingszahlen jedoch nicht zu einem bedenklich erhöhten Kriminalitätsaufkommen geführt, wie Uwe Stürmer, Polizeivizepräsident des Präsidiums in Konstanz vergangene Woche im SZ-Interview ausführte. Das bestätigen auf Nachfrage der „Schwäbischen Zeitung“ auch die Staatsanwaltschaft Ravensburg, das Amtsgericht und die Justizvollzugsanstalt Hinzistobel.

    Staatsanwaltschaft:

    Die Staatsanwaltschaft Ravensburg sieht in ihrem Zuständigkeitsbereich (Kreis Ravensburg, Sigmaringen, Teile der Landkreise Biberach und Bodensee) beim Thema Kriminalität von Asylbewerbern keinen Grund zur Beunruhigung. „Bei der Allgemeinkriminalität, also Diebstahl und Ähnliches, können wir zwar einen Anstieg, aber keinen überproportionalen Anstieg feststellen“, sagt Oberstaatsanwalt Karl-Josef Diehl. Bei den Verstößen gegen das Ausländergesetz oder Asylverfahrensgesetz gibt es laut Diehl im Vergleich zum Vorjahr einen Anstieg der Fälle von 703 auf 885. Verfahren wegen Verdachts des Einschleusens von Ausländern stiegen von vier auf zehn an.

    „Bei den Sexualdelikten hatten wir im September und Oktober zwei Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit Sexualstraftaten von Asylbewerbern. Beide kamen in Untersuchungshaft“, führt Diehl aus. In einer Sache sei Anklage beim Landgericht Ravensburg erhoben worden, im zweiten Fall stünde das kurz bevor. Diehl betont, dass es auch in den Jahren zuvor solche Ermittlungsverfahren gegeben habe „und dies somit nicht in direktem Zusammenhang mit der sogenannten Flüchtlingskrise gesehen werden“ könne.

    Das gilt nach seinen Angaben auch für Drogendelikte, obgleich die Fallzahlen von 1683 auf 1877 angestiegen sind, bei schweren Delikten (gesetzliche Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr) von 205 auf 246 Verfahren. Darunter gebe es auch Verfahren gegen Asylbewerber. Diehl führt das auf die Durchsuchung in einem Ravensburger Asylbewerberheimen zurück. „Es ging hierbei vor allem um die Abgabe von weichen Drogen in kleineren Mengen an Minderjährige. Die Verfahren richteten sich jeweils gegen einzelne Personen aus der Asylbewerberunterkunft. Es kam bereits zu Verurteilungen, teils zu empfindlichen Freiheitsstrafen.“

    Amtsgericht:

    „Die den Flüchtlingen häufig unterstellte Kleinkriminalität können wir nicht feststellen“, sagt Matthias Grewe, Direktor des Ravensburger Amtsgerichts. Auch im Bereich der Sexualstraftaten könne nicht von einem Anstieg die Rede sein, das gelte auch für die Drogenkriminalität.

    Um seine Aussage zu untermauern, nennt der Amtsgerichtsleiter einige Zahlen. So hatte beispielsweise das Jugendschöffengericht (jugendliche Intensivtäter) 2014 noch 130 Fälle zu verhandeln und 2015 nur 69. Einen weiteren Rückgang gibt es bei den Strafrichtern: Anstatt 909 Verfahren in 2014 (im Vorjahr waren es 772) gab es 2015 noch 780. Die Zahlen am Schöffengericht sind nahezu gleich geblieben: 38 Verfahren waren es 2013, im Folgejahr 47 und 53 im vergangenen Jahr. „Wenn unter den Flüchtlingen ein hohes straffälliges Potenzial da wäre, wäre es bereits aufgefallen oder würde sich in den Zahlen widerspiegeln“, so Grewe. So gibt es 2015 in den meisten Bereichen sogar einen Rückgang, trotz der hohen Anzahl an Flüchtlingen, die im vergangenen Jahr auch im Kreis Ravensburg ankamen.

    Einzige Ausnahme bildet das Familiengericht: Hier gab es 99 Verfahren im vergangenen Jahr. Grund dafür sind Vormundschaftsanträge des Jugendamts für unbegleitete Flüchtlinge.

    Justizvollzugsanstalt Hinzistobel:

    In der Justizvollzugsanstalt Hinzistobel sitzen derzeit 420 Sträflinge ein. Einen Zuwachs an Asylbewerbern gibt es dort nicht. „Bei uns gibt es nichts Dramatisches zu berichten“, sagt Leiter Thomas Mönig. Die „Stammtischeinschätzung“ vieler Menschen ließe sich aus Sicht der JVA nicht bestätigen. „Wir haben keinen Anstieg von Sträflingen, die Asylbewerber sind“, berichtet Mönig. Natürlich gebe es auch in der JVA straffällig gewordene Asylbewerber. „Das sind aber Einzelfälle, die nicht der jüngsten Flüchtlingswelle zugeordnet werden können.“ Unter diesen Straftätern finde sich die ganze Bandbreite der Delikte, auch Sexualstraftaten. „Diese Taten sind schon länger her und haben keinen Bezug auf die aktuellen Entwicklungen. Es gibt bei uns keine Ausnahmesituation in die eine oder andere Richtung.“

    Unterschrift Foto: Die Justizbehörden in Ravensburg verzeichnen keinen Anstieg des Kriminalitätsaufkommens, das in Zusammenhang mit Asylbewerbern stehen könnte. Bild: Archiv , ©Schwäbische Zeitung