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    Flüchtlingsunterkünfte in Ellwangen und Sigmaringen sollen jedoch dauerhaft bleiben

    Überregional, 16.11.2016 (Kara Ballarin, Beate Gralla und Michael Hescheler, ©Schwäbische Zeitung)

    Stuttgart/Ellwangen/Sigmaringen sz
    Das Innenministerium hat am Mittwoch eine Konzeption vorgestellt, wie Baden-Württemberg mit den Landeseinrichtungen zur Erstaufnahme von Flüchtlingen (LEA) umgehen wird. Aufgrund der sinkenden Flüchtlingszahlen sollen die Kapazitäten drastisch reduziert werden – die Einrichtung in Bad Saulgau, die zwar bereitgestellt, aber nie genutzt worden ist, soll etwa „schnellstmöglich aufgegeben“ werden, teilt das Ministerium mit. In jedem Regierungsbezirk soll eine Einrichtung bestehen bleiben – auch die in Sigmaringen und Ellwangen. Aktuell leben laut Innenministerium 8100 Menschen in Erstaufnahmeeinrichtungen.

    Bereits im Sommer hatte Innenminister Thomas Strobl (CDU) eine Standortkonzeption für die LEAs angekündigt. Der Grund: „Die Flüchtlingszahlen sind in den vergangenen Monaten stark zurückgegangen“, erklärt Strobl. Im Herbst vergangenen Jahres war der Andrang so groß – allein im Oktober 2015 kamen 17000Menschen ins Land – dass überall im Land eilig neue Unterkünfte eingerichtet wurden. Während im Jahr 2015 rund 98000 Menschen nach Baden-Württemberg gekommen seien, seien es bis Ende Oktober dieses Jahres 30000 gewesen, so das Innenministerium.

    Von 34 000 auf 8000 Plätze

    Wie die globalen Fluchtbewegungen weitergehen, kann niemand vorhersagen. Deshalb strebt das Land ein flexibles System an, um Spitzen abfedern zu können. Die Kapazitäten sollen von derzeit 34000 auf künftig 8000 reduziert werden. In Extremzeiten könne diese Kapazität verdoppelt werden, teilt das Innenministerium mit.

    Allein 3500 dieser Plätze soll ein Ankunftszentrum bieten – eine Art Drehscheibe, wo Flüchtlinge so lange bleiben, bis sie den gesamten Prozess ihres Asylantrags durchlaufen haben. Noch bleibe das Patrick-Henry-Village bei Heidelberg als Ankunftszentrum erhalten, doch laut Innenministerium würden alternative Standorte in Mannheim und Schwetzingen geprüft.

    Zudem soll es künftig in jedem Regierungsbezirk eine LEA geben – vor der Flüchtlingskrise vergangenes Jahr gab es im Südwesten lediglich die in Karlsruhe. Diese soll bestehen bleiben und 1000 Plätze zur Verfügung haben. Für die LEA auf dem Gelände der ehemaligen Polizei-Akademie in Freiburg sind 800Plätze vorgesehen.

    Bestehen bleiben soll zudem die LEA in Sigmaringen mit 1250 Plätzen und die in Ellwangen mit 700 Plätzen. Um für besonders hohe Zugangszahlen gerüstet zu sein, soll es zudem Einrichtungen in Tübingen (250 Plätze) und in Giengen an der Brenz (300 Plätze) im Stand-by-Betrieb geben. Das Innenministerium hat offenbar eine Anregung von Karl-Heinz Wolfsturm aufgenommen. Der Ombudsmann für die Flüchtlingserstaufnahme des Landes hatte im Sommer im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“ gesagt: „Sonderunterkünfte wären mir ein großes Anliegen“ – etwa Einrichtungen speziell für Flüchtlinge mit Behinderungen, Unterkünfte zum Schutz alleinreisender Frauen oder auch homosexueller Flüchtlinge. Letztere würden in Sammelunterkünften schnell geoutet und gemobbt, hatte Wolfsturm berichtet. Für die gesonderte Unterbringung von besonders schutzbedürftigen Flüchtlingen will das Innenministerium auch 500 Plätze in einer weiteren Einrichtung in Karlsruhe schaffen und die Einrichtung in Tübingen bei Bedarf nutzen.

    Ärger in Ellwangen

    Bereits seit Wochenbeginn hatte sich abgezeichnet, dass die LEA in Ellwangen wohl unbefristet erhalten bleiben soll. Ein entsprechendes Positionspapier hatten Vertreter des Regierungspräsidiums Stuttgart beim Besuch von Justizminister Guido Wolf (CDU) in der LEA vorgelegt. Ellwangens Oberbürgermeister Karl Hilsenbek fühlte sich mit vollendeten Tatsachen konfrontiert. „Es hat mich außer Fassung gebracht, dass Planungsspiele gemacht werden, ohne mit uns zu reden“, hat Hilsenbek daraufhin erklärt. „Wir haben einen Vertrag mit einer Laufzeit bis 2019.“ Alles, was davon abweiche, müsse neu verhandelt werden.

    In Spitzenzeiten waren in der LEA Ellwangen 4800 Menschen untergebracht, obwohl sie nur für maximal 1000 ausgelegt ist – was zu Spannungen und Gewaltausbrüchen führte. Aktuell leben hier 428 Menschen.

    Sigmaringen will sich wehren

    Sigmaringens Bürgermeister Thomas Schärer erklärt die Kapazität für 1250 Flüchtlinge im Verhältnis zur Größe der Stadt für „viel zu hoch“, wie er sagt. „Wir werden das im Gespräch mit dem Land ebenso deutlich machen wie unsere Forderung nach einer zeitlichen Befristung oder gar einer Schließung der LEA Sigmaringen.“ Zu Spitzenzeiten waren in Sigmaringen 2500 Menschen untergebracht und damit doppelt so viele als geplant. Derzeit leben hier 700 Menschen.

    Die neue Konzeption sei mit allen mitverantwortlichen Ministerien sowie mit den Regierungspräsidien, mit Ombudsmann Wolfsturm und zuständigen Bundesbehörden besprochen, erklärt Innenminister Strobl. Nun folgten Gespräche mit den Verantwortlichen vor Ort. „Es ist unser Ziel, die Standortkonzeption noch in diesem Jahr vom Ministerrat beschließen zu lassen“, sagt Strobl.

    Unterschrift Foto: Sommer 2015: Die neuen Bewohner treffen in der LEA in Sigmaringen ein. In Spitzenzeiten haben dort bis zu 2500 Menschen gelebt. Bild: Roland Rasemann, ©Schwäbische Zeitung