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    Sechs Slammer heizen beim interreligiösen Poetry Slam ein

    Biberach, 26.03.2017 (Carmen Bogenrieder-Kramer, ©Schwäbische Zeitung)

    Biberach sz Es ist kurz nach 20 Uhr. Der Saal im Martin-Luther-Gemeindehaus ist voll. Dekan Hellger Koepff betritt die Bühne und legt los: „Tritt frisch auf, mach’s Maul auf und hör’ bald wieder auf.“ Nein, niemand ist im falschen Film. Der evangelische Dekan hat nur mit einem Luther-Zitat begrüßt und zugleich einen kleinen Vorgeschmack gegeben – auf das, was dann Schlag auf Schlag folgen sollte.

    Aber jetzt der Reihe nach. Als Martin Luther vor 500 Jahren seine 95 Thesen an die Wittenberger Schlosskirche nagelte, setzte er mit klaren Worten die Reformation in Gang. Es ging um Religion und Freiheit. Und damit um zwei Begriffe, die auch am Samstagabend für Aufmerksamkeit im großen Saal des evangelischen Gemeindehauses sorgten. Sechs national bekannte und erfolgreiche Slammer verpackten ihre Gedanken über Freiheit und Religion in ein Feuerwerk der Wortakrobatik. Das kam an. Das Publikum stimmte mit Händen, Füßen und lauten Rufen ab. In der ersten Runde traten alle sechs Künstler auf – Marius Loy aus Stuttgart, Hinnerk Köhn aus Hamburg, Nektarios Vlachopoulas aus Ludwigsburg, Sulaiman Masomi aus Krefeld, Louise Kenn aus Leipzig und Fee aus München.

    Laien-Jury wählt aus
    In der zweiten Runde waren es nur noch vier Poeten. Marius und Louise flogen zuvor raus. Nein, nicht weil ihre Textbeiträge zu wenig Tiefgang hatten. Es lag an der achtköpfigen Laien-Jury aus dem Publikum, die ihre Punktetafeln eben genau so in den Raum streckten, wie sie es für richtig hielten. Die Slammer selbst regten allesamt zum Nachdenken an. Jeder auf seine eigene Art, authentisch, künstlerisch und wortgewaltig. Nicht umsonst hatte Organisator Pfarrer Matthias Ströhle, Atheisten, Orthodoxe, Christen und Muslime zu Wort kommen lassen.
    Die beiden Moderatoren, Tobias Meinhold und Marvin Suckut, führten durch den Dichterwettstreit und kürten am Ende mit Nektarios und Fee gleich zwei Wortakrobaten zu den Siegern des Abends. Das war ein guter Zug, zumal eigentlich alle sechs Slammer das Siegertreppchen verdient gehabt hätten. Einzig Fee hob sich besonders hervor. Die 22-jährige Theologiestudentin redete sich im Finale mit einem Textbeitrag über Martin Luther und die protestantischen Besonderheiten in die Herzen des Publikums. Dabei legte sie die Finger in die richtigen Wunden und forderte unter anderem christliche Werte für alle. Für wirklich alle.
    Damit schloss sich der thematische Kreis des gelungenen Abends. Als Fazit bleibt, dass nicht die einzelne Religion das Maß aller Dinge ist, sondern der Mensch, der durch sein Tun Verantwortung trägt.

    Unterschrift Foto: Marius Loy, Fee, Hinnerk Köhn, Louise Kenn, Nektarios Vlachopoulas, Sulaiman Masomi und Moderator Marvin Suckut (von links) begeistern beim interreligiösen Poetry-Slam Bild: Carmen Bogenrieder-Kramer, ©Schwäbische Zeitung