Baden-Württembergs Landesregierung begrüßt die Pläne von der Bundesegierung, rund 1500 weitere Migranten von den griechischen Inseln in Deutschland aufzunehmen. Im Südwesten könnten dabei besonders Städte wie Biberach, Konstanz oder Tuttlingen zum Zug kommen.
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sagte am Dienstag in Stuttgart, er sei froh und glücklich über das starke Signal aus Berlin. „Es wird jetzt wichtig sein, dass die Bundesregierung auch andere Länder in der EU dafür gewinnt, ebenfalls Menschen aufzunehmen.“
Unsere Verantwortung als Christenmenschen ist es, zu helfen.
Innenminister Thomas Strobl
Susanne Eisenmann, CDU-Spitzenkandidatin für die Landtagswahlen 2021, begrüßte die Ankündigung aus Berlin ebenfalls. „Wir brauchen aber eine gesamteuropäische Lösung. Da gibt es bislang leider gar nichts.“ Auf EU-Ebene passiere auch viel zu wenig, um die Situation in Griechenlands Flüchtlingslagern zu entschärfen. Deutschland könne die Federführung bei entsprechenden Verhandlungen in der EU übernehmen, die Probleme aber nicht alleine lösen, betonte sie.
Auch Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl meldete sich zur Thematik. „Unsere Verantwortung als Christenmenschen ist es, zu helfen. Das tut Deutschland, das tut Baden-Württemberg", sagte er laut einer Mitteilung. Mit der Aufnahme von Familien, deren Schutzbedürftigkeit bereits in einem Asylverfahren anerkannt wurde, habe man klare und nachvollziehbare Kriterien. Mehr Menschen könne man unter Corona-Bedingungen sowie wegen der „Aufnahmebereitschaft in der Bevölkerung“ aber nicht aufnehmen.
Die rund 200 Flüchtlinge, die Baden-Württemberg laut Strobl aufnehmen wird, entsprechen in etwa dem sogenannten Königsteiner Schlüssel. Nach diesem werden Flüchtlinge üblicherweise auf die Bundesländer verteilt. 2019 nahm der Südwesten laut des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge rund 13 Prozent und damit insgesamt 10.300 Menschen auf. Die Zahl sank seit 2015 stetig von damals 98.000. Doch noch ist nicht klar, ob der Bund die 1500 Menschen überhaupt wie sonst üblich verteilen wird.
Aufnahmebereitschaft der "Sicheren Häfen" zählt
Wenn das geklärt ist, organisiert das Regierungspräsidium in Karlsruhe die Verteilung auf die Landkreise in Baden-Württemberg. „Dabei wird die Aufnahmebereitschaft jener Stadt- und Landkreise berücksichtigt, die sich zu sicheren Häfen erklärt haben“, sagte ein Sprecher des Stuttgarter Innenministeriums der „Schwäbischen Zeitung“.
Im Südwesten beteiligen sich bereits mehrere Kommunen und Landkreise am Bündnis „Seebrücke - schafft sichere Häfen!“. Ziel ist es, Seenotrettung zu entkriminalisieren und die Schutzsuchende aufzunehmen. Mit dabei ist die Stadt Biberach. Oberbürgermeister Norbert Zeidler (parteilos) sagt: „Selbstverständlich sind wir bereit, wieder Flüchtlinge in Biberach aufzunehmen.“ Dennoch bedürfe das Flüchtlingsproblem einer EU-weiten Lösung. Zeidler: „Diese Resolution signalisiert die Bereitschaft der Stadt, auch weiterhin Geflüchtete aufzunehmen, so eine entsprechende Zuteilung durch Bund und Land erfolgt und die Frage der Kostenübernahme geklärt ist.“
Biberach, Konstanz, Tuttlingen stehen bereit
Auch Konstanz ist Mitglied des Bündnisses, wie Stadtsprecher Walter Rügert bestätigt. Die Stadt sei darum bereit, Flüchtlinge der griechischen Inseln aufzunehmen. In einer Mitteilung erklärt die Stadt Konstanz, sie erwarte jetzt von den Entscheidungsträgern, auf die Bündnisstädte zuzugehen, um schnellstmöglich die Aufnahme der Flüchtlinge von Lesbos zu organisieren.
Als Teil der Seebrücke will auch die Stadt Tuttlingen erneut Flüchtlinge aufzunehmen. Oberbürgermeister Michael Beck (CDU) erklärt, der Gemeinderat „wollte damit ein klares Zeichen dafür setzen, dass Humanität im Zweifelsfall wichtiger ist als das ewige Warten auf eine europäische Gesamtlösung“.
Trotzdem könne eine Kommune nicht eigenständig Außen- oder Einwanderungspolitik betreiben, verdeutlicht Beck. „Als Jurist würde ich mir auch niemals anmaßen, an allen zuständigen Instanzen vorbei eigenmächtig Menschen direkt aus Griechenland nach Tuttlingen zu holen.“ Die Bundesregierung aber habe sehr wohl die Möglichkeit. „Es liegt alleine am politischen Willen“, glaubt Beck. Wenn der vorhanden sei, könne viel bewegt werden – ganz rechtsstaatskonform.
Foto: dpa
Bildunterschrift: 200 Flüchtlinge will Baden-Württemberg aufnehmen. Nach den Bränden im Camp Moria hatten Demonstranten gefordert, die Insel verlassen zu dürfen..
Autoren: Katja Korf, Simon Schwörer