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    Wieder als Familie leben können

    Ertingen, 23.12.2018 (Waltraud Wolf, ©Waltraud Wolf)

    Es ist Samstag, 14.30 Uhr. Mutter Fatema und ihre fünf Kinder Rania, Amira, Roz, Abdul-Baset und Sohaib warten in Ertingen auf das Familienoberhaupt, auf Mohammad Alsalem. Wenige Minuten später fährt er mit Hans Petermann in den Hof. Beide waren für den Tafelladen im Einsatz. Was heute wie ein normales Familienleben aussieht, hat für die Syrer mehr als drei Jahre lang nicht stattgefunden.

    Als der heute 42-Jährige im Oktober 2015 des Krieges wegen aus Aleppo flüchtete und über die Türkei und Griechenland nach Deutschland kam, blieb seine Familie zurück. Der Kinder wegen hat er Syrien verlassen, betont er, ihrer Zukunft wegen. Doch bis jetzt auch sie in Sicherheit sind und zuversichtlich in die Welt blicken können, dauerte es eine ganze Weile. Umso glücklicher sind sie jetzt über die Familienzusammenführung und der ehemalige Riedlinger Bürgermeister Hans Petermann, heute in der Flüchtlingsbetreuung engagiert, ist es auch.

    Er sieht es geradezu als Weihnachtsgeschenk an, dass die Familie vereint ist und in Ertingen ein Haus beziehen konnte. In Ergänzung zum Landratsamt in Biberach hat Bürgermeister Jürgen Köhler daran mitgewirkt. Überhaupt sei man im Ertinger Rathaus sehr um die Syrer bemüht, betont Petermann und nennt dabei namentlich Melanie Schmid.

    Bangen und Hoffen

    Nach dem Erstaufnahmelager in Meßstetten wurde Mohammad Alsalem der Gemeinschaftsunterkunft in der Gammertinger Straße in Riedlingen zugewiesen. Von dort aus hielt er per Handy und Whatsapp Kontakt zu seiner Familie, traurig ohne sie und immer in Angst um sie, aber auch in der Hoffnung, sie nach Deutschland holen zu dürfen. Als er im Februar 2017 eine Aufenthaltserlaubnis erhielt, stellte er den ersten Antrag auf Familiennachzug. Doch bis seine Frau den notwendigen Interview-Termin in der deutschen Botschaft in Beirut im Libanon erhielt, dauerte es zehn Monate. Dort wurde sie von einem Bruder ihres Mannes unterstützt.

    Aleppo hatten sie und die Kinder zu diesem Zeitpunkt wegen der kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen dem syrischen Militär und dem IS längst verlassen und waren nach Al-Hasaka geflohen, wo der Lebensunterhalt sehr teuer war, es kaum Strom und häufig kein Wasser gab. Den beiden großen Mädchen fehlte der regelmäßige Schulunterricht. Mutter Fatema lehrte sie das Schreiben, damit sie wenigstens ein wenig in Übung blieben. Sie hat Englisch gelernt und so ist ihr die lateinische Schrift nicht fremd. Ihre Mutter und die Schwester der Frau leben noch dort.

    Bis es zur Ausreise kam, dauerte es weitere Monate. „Ich habe schon gar nicht mehr daran geglaubt“, sagt Petermann, der per E-Mail selber einmal bei der deutschen Botschaft vorstellig wurde, jedoch ohne Antwort blieb. Als ihm Mohammad Alsalem dann endlich das Flugticket seiner Frau zeigte, wurde er sofort wegen der Unterbringung tätig und schließlich in Ertingen fündig.

    Während seines Aufenthaltes in Riedlingen besuchte der Syrer den Sprachunterricht, um Deutsch zu lernen. Begleitend dazu meldete er sich zur Mitarbeit im Tafelladen. Seit zwei Jahren schon unterstützt er hierbei auch Hans Petermann, wenn es gilt, Waren aus den Supermärkten und Bäckereien zu holen oder Möbeltransporte zu bewältigen. „Er ist sehr praktisch veranlagt und fleißig“, lobt Petermann den Syrer und freut sich, dass er – auch in Absprache mit dem Jobcenter – eine gute Arbeitsplatzperspektive bei der Buck Ausbau GmbH aus Ertingen hat. Die passt zu seinen früheren beruflichen Aktivitäten, denn außer in der Landwirtschaft hat er als Fliesenleger gearbeitet.

    Danke sagen

    Eine Perspektive haben jetzt auch seine 31-jährige Frau, die schnell Deutsch lernen will, und seine fünf Kinder. Die siebenjährige Roz strahlt, wenn sie auf Deutsch von 1 bis 20 zählt und auch ihre zwölfjährige Schwester Amira und die 13-jährige Rania berichten, was sie während der ersten Tage in der Vorbereitungsklasse in Ertingen schon gelernt haben: guten Morgen, guten Tag und gute Nacht. Sie seien gerne nach Deutschland gekommen, bestätigen sie. Dass sie dennoch traurig sind, weil sie Freunde verlassen mussten, ist nachzuvollziehen.

    „Danke“ sagen kann auch schon die Mutter auf Deutsch und es kommt von Herzen. Die beiden vier und fünf Jahre alten Buben freuen sich auf den Kindergarten, den sie ab dem 7. Januar besuchen dürfen. Und weil man sich zu Weihnachten was wünschen darf, sagt Petermann, Laufräder für die Jüngsten wären schön.

    Er will der Familie, obwohl Muslime, einen Tannenbaum besorgen und sie wollen festen, Grund genug haben sie dazu. Gut kochen will Fatema und das kann sie, bestätigt Hans Petermann. Auch Kuchen und Süßigkeiten – vor allem für die Kinder – wird es geben und ganz viel Freude.

    Unterschrift Foto: In Ertingen ist die Familie wieder vereint und so scharen sich um Mohammad Alsalem seine Frau Fatame und seine Kinder Rania, Sohaib, Abdul-Baset, Roz und Amira. Bild: Waltraud Wolf, ©Waltraud Wolf