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    Polizeihochschule nimmt Flüchtlinge auf

    Biberach, 09.11.2015 (Gerd Mägerle, ©Schwäbische Zeitung)

    Sie ist erst wenige Wochen auf der Welt und hat schon viel durchgemacht: Ein Säugling ist in den Armen seiner Mutter nach mühsamer Flucht über die Balkanroute im oberschwäbischen Biberach eingetroffen. Das kleine Mädchen kam dort mit seiner afghanischen Familie und rund 140 weiteren Flüchtlingen am Sonntagabend direkt von der Grenze in Passau an. „Dieser Säugling kam wohl in der Türkei auf die Welt mittels Kaiserschnitt, dann hat sich die Familie gleich weiter auf den Weg gemacht Richtung Deutschland“, sagte der Einsatzleiter des Roten Kreuzes, Michael Mutschler.

    „Das hat viele berührt“, sagt Mutschler. In Biberach wurde das Mädchen sofort registriert und ärztlich untersucht. „Das Baby war unterernährt und etwas unterkühlt“, sagte der leitende Notarzt, Christopher Maier. Ärzte hörten Herz und Lunge ab und organisierten Babynahrung und -kleidung. Der Säugling gehört nun zu den ersten Bewohnern der neu eingerichteten Erstaufnahmestelle für Flüchtlinge auf dem Gelände der Polizeihochschule. Zwei Fahrzeughallen wurden erst vor wenigen Tagen vom Land zu einer Notunterkunft umgebaut.

    Drei Busse mit insgesamt 144 Flüchtlingen kamen am Sonntag gegen 19.30 Uhr direkt von der deutsch-österreichischen Grenze bei Passau in Biberach an. Gesundheitsamt und DRK in Biberach sahen sich deshalb vor einer großen Herausforderung. „Wir hatten eigentlich mit Erwachsenen gerechnet“, sagte Mutschler, „stattdessen stellten wir beim Betreten der Busse fest, dass sich jede Menge Kinder und Babys unter den Geflüchteten befanden.“ Diese Information hätte man gerne früher gehabt, um sich entsprechend vorzubereiten, sagte der Biberacher Oberbürgermeister Norbert Zeidler, der statt zur zeitgleich stattfindenden Abschlussgala der Biberacher Filmfestspiele zur Aufnahme der Flüchtlinge geeilt war.

    Viele Flüchtlinge seien müde und erschöpft, sie litten vermehrt unter Erkältungs- und Durchfallerkrankungen, berichtete Maier. Besonders Flüchtlingskinder seien in der kalten Jahreszeit anfällig für Krankheiten. Vier Flüchtlinge mussten nach dem Gesundheitscheck in Biberach in eine Klinik, ein dreijähriges Mädchen kam mit einem Magen-Darm-Infekt in die Uniklinik in Ulm. „Sie war ganz schlecht beieinander“, sagte Mutschler.

    Zwischen einer und drei Wochen sollen die Flüchtlinge nun in Biberach bleiben, ehe sie in eine der Landeserstaufnahmestellen gebracht werden, sobald dort Kapazitäten frei sind. Dort werden sie dann registriert und können ihre Asylanträge stellen. Kritik gab es bei den Anwohnern des Polizeigeländes in Biberach, weil das Land sie nicht im Vorfeld über die Einrichtung der Notunterkunft informiert hatte und sie davon aus der Zeitung erfuhren. „Wir hatten nur vier Tage Vorlauf, die Zeit war einfach zu knapp“, sagte die Sprecherin des Regierungspräsidiums Tübingen, Dr. Daniela Hüttig.

    Der Druck durch neu ankommende Flüchtlinge ist nach wie vor hoch: Am Wochenende waren nach Angaben der Bundespolizei rund 13 000 Migranten eingereist. Schwerpunkt war erneut der Raum Passau. Bis Sonntagabend waren Tausende Flüchtlinge mit Sonderzügen und Bussen in die Aufnahmeeinrichtungen in ganz Deutschland verteilt worden. Am Wochenende zuvor waren noch rund 15 000 Migranten eingereist

    Unterschrift Foto: Polizeihochschule nimmt Flüchtlinge auf Bild: Thomas Warnack, ©Schwäbische Zeitung