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    Seenotrettung: Biberacher Bürger senden Signal an die Politik

    Biberach, 07.07.2019 (Gerd Mägerle, ©Schwäbische Zeitung)

    Unter dem Motto „Seenotrettung ist kein Verbrechen!“ haben sich am Samstag rund 100 Menschen auf dem Biberacher Kirchplatz zu einer Kundgebung versammelt. Eingespielt wurde dabei auch eine Grußbotschaft der „Sea-Watch 3“-Kapitänin Carola Rackete. Organisiert hatten die Kundgebung das Interkulturelle Forum für Flüchtlingsarbeit (IFF) und die Ökumenische Flüchtlingsarbeit (ÖFA) im Kreis Biberach.

    „Und wenn sie nicht gestorben sind, sterben sie noch heute.“ Mit dem nachdenklichen Text des Lieds „Europa“ der Toten Hosen eröffnete Andreas Gratz (ÖFA) auf der Gitarre die Kundgebung. „Nicht die Seenotrettung ist ein Verbrechen, sondern das Sterben lassen“, sagte IFF-Vorsitzende Dagmar Rüdenburg. Die deutsche Kapitänin habe nur ihre Pflicht getan, als sie in Italien anlegte, sagte sie mit Verweis auf das Seerecht. Dies habe auch ein italienisches Gericht festgestellt, so Rüdenburg. Deutsche Kommunen hätten die Aufnahme der Flüchtlinge angeboten, „Seehofer wollte es nicht“.

    Die EU schmücke sich mit dem Friedensnobelpreis und versage bei er Aufnahme von Flüchtlingen, sagte die IFF-Vorsitzende. „Seit 2014 sind 18 000 Menschen im Mittelmeer ertrunken.“ Die EU habe die Pflicht, eine flächendeckende Seenotrettung aufzubauen. Die Länder müssten einen Mechanismus für die Aufnahme der Flüchtlinge etablieren, so Rüdenburg. Im Zuge der Aktion „Seebrücke. Schafft sichere Häfen“ hätten deutsche Kommunen bereits ihre Aufnahmebereitschaft erklärt. Auch der Biberacher Kreistag stimmt am 10. Juli darüber ab. Mit dem Biberacher Oberbürgermeister Norbert Zeidler habe es am Freitag ein Treffen dazu gegeben, sagte Rüdenburg. „Er hat signalisiert, dass er das Thema im September in den Gemeinderat bringen will.“

    „Stellen Sie sich vor, dass ein deutscher Urlauber von einem Kreuzfahrtschiff ins Mittelmeer stürzt und es wird bekannt, dass mehrere Boote ihn nicht gerettet haben – was gäbe das bei uns für einen Aufstand“, sagte Seán McGinley vom Flüchtlingsrat Baden-Württemberg. Gerettet zu werden sei das Grundrecht jedes Menschen in Lebensgefahr. Inzwischen sei der öffentliche Diskurs aber so weit, „dass man diesen Menschen ihre Rechte abspricht und es hinnimmt, dass sie ertrinken“, so McGinley. Er wünsche sich denselben Aktionismus, den es bei der Asylgesetzgebung gebe, beim Bekämpfen von Fluchtursachen.

    Grußbotschaft von Carola Rackete

    Per Smartphone spielte McGinley eine Grußbotschaft der Kapitänin Carola Rackete an die Kundgebungsteilnehmer ein. „Die Verantwortungslosigkeit der europäischen Staaten hat mich gezwungen, so zu handeln, wie ich es getan habe; einen Job zu machen, den eigentlich die Staaten machen sollten“, sagte die Kapitänin darin. Es seien maximal ein paar Tausende, um deren Aufnahme es gehe, so Rackete. „Man kann von der Bundesregierung erwarten, dass sie da mutig nach vorne geht.“ 60 Kommunen hätten bereits ihre Aufnahmebereitschaft erklärt. Es sei beschämend, wenn man hier keine Lösung finde.

    Aja Gratz dankte den vielen Ehrenamtlichen, die sich im Landkreis seit mehreren Jahren in der Flüchtlingsarbeit engagieren. „Wir sind dazu auch in Zukunft fähig und bereit und wollen dieses Signal von unten senden.“ Mit dem Lied „Imagine“ von John Lennon endete die Kundgebung.

    Unterschrift Foto: Rund 100 Menschen nahmen an der Kundgebung zur Seenotrettung auf dem Kirchplatz teil. Bild: Gerd Mägerle, ©Schwäbische Zeitung