Biberach, 03.08.2015 (gem)
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Der Landkreis Biberach sucht händeringend nach weiteren Möglichkeiten der Erstunterbringung für Flüchtlinge. Landrat Dr. Heiko Schmid hat deshalb vor einigen Tagen einen Brief an alle Bürgermeister im Kreisgebiet geschrieben. Er bittet sie darin, dem Landratsamt mögliche Gebäude zu nennen, die sich für eine Unterbringung eignen, ebenso Grundstücke, die für das Aufstellen von Containern infrage kommen.
Der Freundeskreis Asyl hat am vergangenen Freitag ein Grillfest für die rund 200 Flüchtlinge veranstaltet, die in der Gemeinschaftsunterkunft in der Biberacher Bleicherstraße leben. Für die Erwachsenen gab es leckeres Essen, die Kinder vergnügten sich auf dem Spielplatz auf der Rißinsel ausgelassen mit riesigen Seifenblasen, die leider immer allzu schnell zerplatzten.
Ähnlich verhält es sich mit den Ansprüchen an eine Willkommenskultur und die gelungene Integration von Flüchtlingen, die man sich beim Landkreis auf die Fahnen geschrieben hat. Überlagert wird dies momentan jedoch von einem Thema. „Alles dreht sich nur noch um Unterkünfte, Unterkünfte, Unterkünfte“, sagte Petra Alger, die Sozialdezernentin des Landkreises kürzlich. Und dieses Thema dürfte sich in den nächsten Monaten weiter verschärfen. 500 Flüchtlinge hat der Landkreis in diesem Jahr bereits aufgenommen, so viel wie im gesamten Jahr 2014. Weitere 900 bis 1100 könnten nach vorsichtigen Schätzungen in diesem Jahr noch in den Landkreis kommen, sagt Landrat Schmid.
Rund 350 weitere Unterkunftsplätze könne der Kreis nach derzeitigem Stand bis Jahresende schaffen. Hoffnung knüpft Schmid daran, dass auch das Land bereit ist, eigene Liegenschaften im Landkreis für die Unterbringung zur Verfügung zu stellen. „Aber auch dann wird’s nicht reichen“, so Schmid. Deshalb habe er nun die Bürgermeister angeschrieben, ihm Flächen in den Kommunen zu nennen, auf denen Containerlösungen möglich wären. Eine Alternative, die der Landrat noch vor einigen Monaten als ultima ratio bezeichnet hatte. Die Realität sieht aufgrund der weiter gestiegenen Flüchtlingszahlen inzwischen anders aus. Nun versucht der Kreis, mithilfe der Wohncontainer ein anderes Szenario zu vermeiden. „Ich möchte nicht erleben, dass wir Sporthallen belegen oder Zelte aufstellen müssen“, sagt Schmid, „da gilt es alle Kräfte zu bündeln.“
Komme es aber auf Landesseite nicht zu einer schnelleren Bearbeitung von Asylverfahren, dann werde es im nächsten Jahr schwierig. Eine Entscheidung erhofft sich Schmid auch bei der Ausweitung sicherer Herkunftsstaaten. Mehr als 35 Prozent der derzeitigen Flüchtlinge im Kreis kommen aus Balkanstaaten. „Nicht bei jedem kann man davon sprechen, dass er in der Heimat um Leib und Leben fürchten muss“, so Schmid. Der Landkreis habe in dieser Frage aber keinen Handlungsspielraum.
Sicherstellen muss der Kreis dagegen die Betreuung der Flüchtlinge. Die 25 Stellen, über die das Sachgebiet Flüchtlingsarbeit verfügt, sind dafür inzwischen längst nicht mehr ausreichend. „Wir werden perspektivisch weitere 45 Stellen brauchen“, sagt Hermann Kienle, Leiter des Kreissozialamts, „einige davon voraussichtlich schon 2015.“ Eine weitere Frage ist, ob der regionale Arbeitsmarkt auf die Schnelle so viele gute Sozialarbeiter und Sozialpädagogen hergibt. Auch Hausmeister und Verwaltungsmitarbeiter werden gesucht, „die eine Empathie für Flüchtlinge haben“, sagt Kienle.
Dankbar ist Landrat Schmid für die Aufgeschlossenheit und das Engagement der Bürger im Landkreis bei der Aufnahme der Flüchtlinge. Sobald neue Unterkünfte geschaffen würden, informiere man die Nachbarn mit Briefen und bei Informationsveranstaltungen. „Natürlich gibt es dabei immer kritische Fragen“, sagt Kienle, „aber es wurde bislang immer sachlich diskutiert“.
Wie fragil die Stimmung aber auch im Kreis Biberach ist, zeigen anonyme Beschimpfungen, die immer wieder im Briefkasten des Landratsamts landen. „Haben eigentlich Ihre Mitarbeiter (staatliche Faulenzer) nichts mehr anderes zu tun, als sich um diese Flüchtlinge zu kümmern. Das ist der sch... deutsche Beamtenstaat“, steht auf einem dieser Zettel. Er könne sich vor diesem Hintergrund nur für das tolle Engagement seiner Mitarbeiter und aller Ehrenamtlichen bedanken, so Schmid.
Sie sorgen mit ihrer Arbeit dafür, dass der Traum der Flüchtlinge von einem neuen Leben in Frieden und Freiheit eben nicht so schnell zerplatzt wie die großen Seifenblasen auf der Rißinsel.
Unterschrift Foto:
Kinder von Flüchtlingsfamilien haben in Biberach Spaß beim Spielen mit Seifenblasen. Der Freundeskreis Asyl kümmert sich um eine abwechslungsreiche Betreuung der Flüchtlinge
Foto: Gerd Mägerle, ©Schwäbische Zeitung