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    Warum es manchmal Jahre dauert, bis Flüchtlinge selbst eine Wohnung anmieten können

    Rot, 26.11.2020 (Katrin Bölster, ©Schwäbische Zeitung)

    In den Jahren 2015 und 2016 kamen so viele Flüchtlinge nach Deutschland wie noch nie. In Spitzenzeiten musste der Landkreis Biberach bis zu 429 Asylsuchende pro Monat aufnehmen und diese in seinen Gemeinschaftsunterkünften (GU) unterbringen. Da die Flüchtlinge dort aber maximal zwei Jahre bleiben dürfen und immer weniger Neuzugänge nachrücken, leeren sich die GU immer mehr. Voll hingegen wird es in den Anschlussunterkünften (AU). Denn nicht jedem Asylsuchenden gelingt es, direkt nach Abschluss des Asylverfahrens eine eigene Wohnung zu finden.

    Da es nicht einfach ist, Wohnraum für die Flüchtlinge zu finden, gelingt es nicht jeder Gemeinde, immer ihr Soll zu erfüllen.
    Jürgen Kraft

    Jürgen Kraft leitet das Amt für Flüchtlinge und Integration im Landkreis Biberach. Seine Aufgabe ist es, die Übersicht zu behalten - wie viele neue Flüchtlinge jeden Monat im Landkreis ankommen, wie viele in den GU wohnen und welche Kommune noch Personen aufnehmen muss. Die Situation, erläutert er, habe sich seit 2016 deutlich verändert. Lebten im Januar 2016 noch 1837 Personen in den GU des Landkreises Biberach, sind es momentan nur noch 370.

    Zuweisung vom Land sind nur noch gering

    Zuweisung vom Land gebe es zwar immer noch. Zuletzt, im November 2020, waren es jedoch nur noch 15 Personen. Da jedoch weiterhin gilt, dass ein Flüchtling die GU entweder nach dem Abschluss seines Asylverfahrens oder spätestens nach zwei Jahren verlassen muss, leeren sich diese immer mehr. „Wahrscheinlich werden wir daher 2021 weitere Gemeinschaftsunterkünfte schließen können“, sagt Kraft. Welche das sein werden, stehe aber noch nicht fest.

    Nach diesen zwei Jahren werden die Flüchtlinge den einzelnen Kommunen im Landkreis zugewiesen. Um den Verteilerschlüssel zu ermitteln, wird die Einwohnerzahl der Kommune zugrunde gelegt. Die Gemeinde Rot an der Rot, mit 4588 Einwohnern, hat beispielsweise seit 2015 70 Personen aufgenommen.

    „Wir stehen dabei im ständigen Dialog mit den Kommunen. Da es nicht einfach ist, Wohnraum für die Flüchtlinge zu finden, gelingt es nicht jeder Gemeinde, immer ihr Soll zu erfüllen“, erläutert Kraft. So beendet auch Rot dieses Jahr mit einem Soll – denn Wohnraum ist in der oberschwäbischen Gemeinde knapp.

    „Dem Landkreis wird es aber trotzdem gelingen, dieses Jahr 200 Personen von den GU in die AU zu verlegen. Die Zusammenarbeit mit den Kommunen funktioniert insgesamt sehr gut“, stellt Kraft klar. Insgesamt leben im Landkreis momentan 1699 Personen in einer AU. Zum Vergleich: Im Januar 2016 waren es nur 782 Personen.

    Viele weiterhin auf kommunale Wohnungen angewiesen

    Die Richtung ist also eindeutig. Doch warum sind manche Flüchtlinge so lange auf eine kommunale Unterbringung angewiesen? Warum leben sie nicht in eigenen Wohnungen, die sie selbst bezahlen? Die Antwort auf diese Frage ist komplex. Manche der Flüchtlinge befinden sich noch im Asylverfahren, manche haben nur eine Duldung erhalten, andere eine temporäre Aufenthaltserlaubnis.

    Je nach Aufenthaltsstatus und Sprachkenntnissen fällt es diesen Personen schwer, eine Arbeit zu finden - zum Teil dürfen sie auch gar nicht arbeiten. Hinzu kommt: Um zu verhindern, dass anerkannte Flüchtlinge in Deutschland kleine, in sich abgeschlossene Lebenswelten bilden und nur in die großen Städte ziehen, wie es in der Vergangenheit passiert ist, hat die Landesregierung eine Wohnsitzauflage verfügt. Das heißt: So lange jemand staatliche Hilfen bezieht, muss er für mindestens drei Jahre dort wohnen bleiben, wo ihn das Landratsamt hinschickt.

    Um dennoch zu erreichen, dass mittelfristig immer mehr Flüchtlinge auf eigenen Füßen stehen, finanziert das Land sogenannte Integrationsmanager. Erst vor wenigen Tagen kam aus Stuttgart der Bescheid, dass diese für weitere zwei Jahre bewilligt worden sind. Die Integrationsmanager stehen allen Flüchtlingen als Ansprechpartner zur Verfügung, die entweder in einer AU leben oder in einer eigenen Wohnung, aber noch Probleme haben, sich in Deutschland alleine zurechtzufinden.

    Beispiel Rot: 38 von 70 Flüchtlingen sind noch da

    Zurück zum Beispiel der Gemeinde Rot: Von den 70 Flüchtlingen, die seit 2015 dort in einer AU untergebracht wurden, leben dort momentan noch 38. 13 leben mittlerweile in einer eigenen Wohnung, fünf sind untergetaucht, sieben sind freiwillig wieder in ihr Heimatland zurück. Eine Person ist verlegt worden, zwei sind weggezogen, um eine Ausbildung oder eine Arbeit zu beginnen und vier haben Rot aus anderen Gründen verlassen.

    „Wer anerkannt ist und eine Arbeit mit Einkommen über 764 Euro monatlich oder Ausbildungsstelle gefunden hat, für den gilt die Wohnsitzauflage nicht mehr und kann sie streichen lassen“, erklärt Kraft. „Da der Wohnungsmarkt jedoch häufig sehr schwierig ist, ist es auch für die Flüchtlinge nicht einfach, Wohnraum zu finden.

    Und im Gegensatz zu den Gemeinschaftsunterkünften handelt es sich bei den Anschlussunterbringungen oft um richtige Wohnungen, mit eigenem Bad und eigener Küche. Die absolute Notwendigkeit dort auszuziehen, ist also nicht so hoch wie bei den Gemeinschaftsunterkünften, wo sich mehrere Familien auf einem Stockwerk sich alles teilen müssen“, so Kraft.

    Zurückblickend sei er mit der Entwicklung zufrieden. 1283 Personen, die zuvor in einer GU oder AU lebten, hätten mittlerweile im Landkreis Biberach selbst eine Wohnung angemietet. Die Integrationsmanager würden auch diese Personen weiterhin in ihrem Integrationsprozess begleiten.

    „Auch wenn es einem manchmal länger vorkommt, so sind vier, fünf Jahre keine lange Zeit, um den Sprung zu schaffen von der Ankunft in einem völlig fremden Land, ohne Sprach- und Kulturkenntnisse, hin zu einer Integration mit eigener Wohnung und eigenem Job. Wir können also stolz sein, dass wir schon so viel erreicht haben. Und gelungen ist das nur, weil die Kommunen, der Landkreis Biberach, viele Ehrenamtliche und die ökumenische Flüchtlingsarbeit an einem Strang ziehen.“

    Unterschrift Foto: Viele Flüchtlinge leben jahrelang in einer Flüchtlingsunterkunft... Bild: kjh axs/DPA, © kjh axs/DPA