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    Bad Schussenried appelliert an seine Bürger, sich noch stärker einzusetzen

    Bad Schussenried, 08.10.2015 (Katrin Bölstler, ©Schwäbische Zeitung)

    Syrien, Afghanistan, Afrika: Die 90 Flüchtlinge, die inzwischen in den beiden Gemeinschaftsunterkünften in Bad Schussenried leben, kommen aus der ganzen Welt. Viele, wahrscheinlich sogar die meisten von ihnen, werden innerhalb der nächsten Monate ein Bleiberecht erhalten und danach Deutschland nicht mehr verlassen. „Während dieser ersten Monate jedoch, in denen ihr Asylverfahren erst anläuft und sie weder arbeiten noch sonst etwas tun können, sitzen die meisten von ihnen den ganzen Tag in der Gemeinschaftsunterkunft nur herum“, weiß Manuela Weishaupt, die sich zusammen mit Barbara Wiedmann bei der Stadtverwaltung Bad Schussenried um das Thema Flüchtlinge kümmert. Die Langeweile, die dabei entsteht, gepaart mit der Unsicherheit, kann zu Spannungen führen, wie Vorfälle in anderen Flüchtlingsunterkünften inzwischen gezeigt haben.

    Theoretisch gehen die Flüchtlinge in den Gemeinschaftsunterkünften des Landkreises Biberach die Stadt Bad Schussenried nichts an. Es gibt zwei Sozialarbeiterinnen, die sich um die Belange der Flüchtlinge kümmern und eine Diakonin, die sich im Auftrag des Landkreises Biberach und der Kirchen um die Koordination der Ehrenamtlichen kümmert. „Faktisch ist es so, dass seit dem Frühjahr so viel mehr Flüchtlinge zu uns gekommen sind und so viele neue Gemeinschaftsunterkünfte eröffnet werden mussten, dass die Mitarbeiter des Landkreises an ihre Grenzen kommen“, wissen Weishaupt und Wiedmann. Deshalb hat auch der Sozialaussschuss des Kreistags inzwischen zwei Stellen für die Betreuung der Ehrenamtlichen beschlossen. Bis diese aber eingestellt und eingearbeitet sind, unterstützt die Stadt Bad Schussenried daher nun die Koordination der Ehrenamtlichen. Denn obwohl sich bereits einige Freiwillige engagiert einbringen, sind es bei Weitem nicht genug, um alle Aufgaben zu bewältigen. „Wir sind dankbar, dass die Stadt sich in diesem Bereich engagiert“, sagt Bernd Schwarzendorfer, Pressesprecher des Landkreises Biberach. „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass ehrenamtliche Arbeit dort gut funktioniert, wo die Gemeinde sich einbringt.“

    Warum sich in Bad Schussenried deutlich weniger Bürger für Flüchtlinge engagieren wollen, ist unklar. Während in Gemeinden wie Eberhardzell oder Hochdorf sich 40 bis 50 Freiwillige um zehn bis 20 Flüchtlinge kümmern, stehen auf der Interessentenliste in Bad Schussenried nach einem erneuten Treffen vergangene Woche erst 30 Namen. Davon stehen jedoch einige nur eingeschränkt zur Verfügung. „Auch diese sind wichtig, wir brauchen aber auch Menschen, die bestimmte Aufgaben regelmäßig übernehmen“, so Weishaupt. Die Stadt will sich daher darum bemühen, mehr Menschen von der Wichtigkeit eines Engagements zu überzeugen.

    „Momentan haben nur ein Teil der Familien einen Paten, vor allem aber die vielen jungen Männer haben keinen“, erklärt Wiedmann. Paten gelten in der Flüchtlingsarbeit als Schlüsselfiguren. Sie unterstützen die Flüchtlinge beim Ausfüllen von Formularen, erklären ihnen die Regeln der deutschen Demokratie und Gesellschaft, nehmen sie mit in Vereine und tragen somit wesentlich zu einer Integration dieser Menschen bei. „Ohne die Paten, ohne Sprachunterricht und tägliche Berühungspunkte mit uns leben die Flüchtlinge im Abseits“, sagt Weishaupt. Sie appelliert daher gerade an jene Bad Schussenrieder, die sich bisher nicht gemeldet haben. „Wenn sich zwei, drei junge Männer zusammen tun würden, und einen jungen gleichaltrigen Flüchtling einfach mal mit zum Sport oder zu einem Fest mitnehmen würden, das könnte enorm viel ändern“, ist sie sich sicher. „Die Akzeptanz unter Gleichaltrigen ist deutlich höher und beide Seiten würden sehen, dass sie mehr gemeinsam haben als sie trennt.“ Bisher seien fast alle Ehrenamtliche Frauen zwischen 40 und 60. „Die Flüchtlinge sind jedoch ein Querschnitt von Gesellschaften aus aller Welt, und genauso sollten wir ihnen auch begegnen.“

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    Unterschrift Foto: Die Flüchtlinge, die derzeit zu uns kommen, stammen aus der ganzen Welt Bild: Gerbert-dpa, ©Schwäbische Zeitung