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    Industriedienstleister aus Unteressendorf: Unternehmen sollten mehr Flüchtlinge einstellen

    4.3.2016 Biberach/zs(Karin Bölstler)

    Die Integration von Flüchtlingen am Arbeitsmarkt verläuft schleppend. Trotz zahlreicher Initiativen von Politik, IHK und anderen Verbänden zögern vor allem kleinere Unternehmen, Flüchtlinge einzustellen. Zu groß erscheinen manchen die bürokratischen Hürden, die oftmals unklare Bleibeperspektive ist ein weiterer hemmender Faktor.

    Die in Unteressendorf, Oggelsbeuren und Ravensburg ansässige Firma IDS hat den Schritt gewagt. Aktuell beschäftigt der Industriedienstleister, der unter anderem für Handtmann und Liebherr arbeitet, zwölf Flüchtlinge. Bei vier weiteren läuft das Verfahren für die Arbeitserlaubnis. Geschäftsführer Markus Winter hofft, dass er anderen Unternehmen Mut machen kann, indem er mit seinen durchweg positiven Erfahrungen an die Öffentlichkeit geht.

    Beitrag zur Integration

    „Die bei IDS angestellten Flüchtlinge sind alle, ohne Ausnahme, hoch motiviert, fleißig und dankbar für die Arbeit“, sagt er. Aufgrund der niedrigen Arbeitslosenquote in der Region fände das Unternehmen schon lange keine Deutschen mehr, die bereit seien, die vakanten Stellen auszufüllen. Der Grund: Rund 75 Prozent der Arbeitsstellen bei IDS sind im Niedriglohnsektor angesiedelt. „Wir zahlen zwar deutlich mehr als den Mindestlohn, trotzdem haben wir in den Vorjahren unsere Hilfsarbeiter vor allem aus Polen und Tschechien geholt“, berichtet Winter.

    Flüchtlinge einzustellen, betrachtet Winter als seinen Beitrag zur Integration. „Diese Menschen leben bei uns, die meisten werden bleiben. Der einzige Weg, um eine Ghettoisierung oder eine Parallelgesellschaft zu verhindern ist, sie zu integrieren“, ist sich der Geschäftsführer sicher. „Integration funktioniert am besten über Arbeit - und wer, wenn nicht wir, kann das leisten?“, so Winter. „Wir halten es für wichtig, die Flüchtlinge von Transferleistungsempfängern zu Sozialbeitragszahlern machen.“ Dabei macht das Unternehmen keinen Unterschied, aus welchem Land die Flüchtlinge kommen und ob sie das Asylverfahren beendet haben. IDS beschäftigt sowohl Syrer als auch Afghanen und Afrikaner. Einige haben bereits ein Bleiberecht, andere sind geduldet oder befinden sich noch im Asylverfahren.

    Gideon Obasohan kommt aus Nigeria. Eines Tages im November, erzählt Werkleiter Reinhard Maier, klopfte er einfach an die Tür des Werks in Oggelsbeuren. An diesem Standort bearbeitet IDS Gussteile nach. „Ich war überrumpelt, jedoch auch positiv überrascht“, erinnert sich Maier. Der junge Afrikaner überreichte ihm zwei Zettel. Auf dem einen stand auf Englisch: „Bitte, geben Sie mir Arbeit.“ Auf dem anderen handschriftlich ein kurzer Lebenslauf. Maier erfuhr von dem 39-Jährigen, dass er über Italien nach Deutschland geflohen war. Seit knapp acht Monaten lebt er in Deutschland. Als Obasohan erfuhr, dass es in Oggelsbeuren vielleicht Arbeit geben könnte, setze er sich in den Zug und fuhr die hundert Kilometer von seiner damaligen Flüchtlingsunterkunft bis hierher. Inzwischen arbeitet der Nigerianer seit zwei Monaten im Werk. Gemeinsam mit anderen Mitarbeitern teilt er sich eine Wohnung direkt gegenüber seiner Arbeitsstelle. „Ich bin sehr zufrieden“, sagt er auf Englisch. Sein Asylantrag wurde inzwischen abgelehnt, er hat den Status „geduldet“ erhalten.

    Das bedeutet: Theoretisch kann er jederzeit abgeschoben werden. In der Praxis wird eine Duldung oft mehrfach verlängert. Obasohan weiß das und hofft, dass er langfristig in Deutschland bleiben kann. „Hier ist das Leben besser, in Nigeria war das Leben schlecht“, sagt er. Die schwierige politische und wirtschaftliche Lage hätten ihn zur Ausreise bewegt. Die Arbeit in Oggelsbeuren mache ihm Spaß, er scheut die körperliche Anstrengung an der Sandstrahlmaschine nicht und ist dankbar, einen Job gefunden zu haben.

    „Für uns sind die Flüchtlinge im Unternehmen ein Gewinn“, sagt Winter. Die Zusammenarbeit mit den Behörden bei der Ausstellung der Arbeitserlaubnis sei bisher ausnahmslos gut gewesen. Der Kontakt zu den Flüchtlingen sei jedoch meist auf Eigeninitiative der Asylbewerber oder über die ehrenamtlichen Helferkreise zustande gekommen.

    „Wünschenswert wäre, dass die Behörden in Zukunft auch die beruflichen Qualifikationen der Flüchtlinge erfassen und uns so die Bewerbersuche erleichtern.“

    Originalartikel Schwäbische Zeitung

    Kommentar

    „Wünschenswert wäre, dass die Behörden in Zukunft auch die beruflichen Qualifikationen der Flüchtlinge erfassen und uns so die Bewerbersuche erleichtern.“

    Zu diesem Satz ist zu sagen, dass es seit Anfang 2015 das Kompetenzzentrum Arbeitsintegration Flüchtlinge (AIF) in Biberach gibt. Es handelt sich um einen Zusammenschluss der Agentur für Arbeit und des Jobcenters mit dem Ziel, die Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt zu erleichtern.  Zu den Kernaufgaben dieser Behörde gehört, Qualifikationen von Flüchtlingen gezielt zu erfassen.

    Mehr darüber unter

    Kompetenzzentrum Arbeitsintegration Flüchtlinge