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    Die Oblatenpatres Tönnis und Mayer sind in die Oggelsbeurer Flüchtlingsunterkunft eingezogen

    Oggelsbeuren, 13.02.2016 (Markus Dreher, ©Schwäbische Zeitung)

    Oggelsbeuren mad
    Einen Monat nach dem Aus fürs Oblatenkloster Schemmerhofen haben sich die Patres Alfred Tönnis und Heinrich Mayer in ihrer neuen Heimat in Oggelsbeuren „gut eingelebt“, sagen sie. Die Ordensleute wohnen dort mit den Flüchtlingen unter einem Dach und helfen bei Sprachunterricht und Seelsorge. Zu tun gibt es genug, zumal voraussichtlich von März an die Zahl der Bewohner auf 120 steigt.

    Im Haupthaus des früheren Klosters in Oggelsbeuren wird gehämmert und gesägt: Handwerker richten im Auftrag des Landkreises weitere Wohngruppen ein. Momentan ist die Gemeinschaftsunterkunft mit 76 Asylbewerbern belegt, bald dürfte noch mal die halbe Zahl dazukommen. Fertig gemauert ist der Schacht für den Aufzug, den die Stiftung „Heimat geben“ mithilfe von Spenden einbauen lässt.

    Seelische Wunden im Blickpunkt

    Der Lift könnte sich als nützlich erweisen für die Helfer wie für Flüchtlinge, die vom Krieg körperlich versehrt sind. Seelische Wunden bringen viele sowieso mit: „Manche halten es im Dunkeln nicht aus oder können sich kaum konzentrieren“, sagt Tönnis. „Bei anderen merkt man wenig“ – noch, denn häufig komme dies nach Jahren. Tönnis sieht hier eine große Aufgabe, da es nicht aufhört: „Sie bekommen innerhalb einer halben Stunde die Bilder aus Aleppo“, von den Bombardements auf die syrische Stadt. Regelmäßig kommt eine Traumatherapeutin aus Ulm, zum 1. April wird eine 20-Prozent-Stelle für eine Fachfrau eingerichtet.

    Obendrein bemüht sich die Stiftung, „ein behütetes Umfeld zu bieten“. Die Betreuung durch Hauptamtliche des Landratsamts wird von fast 40 Ehrenamtlichen ergänzt. Es sind nicht durchweg die gleichen wie zu Beginn, „aber es ist ein stabiles Fundament geblieben“, freut sich Tönnis über das verlässliche Engagement. Unter den neuen Freiwilligen sind zwei ehemalige Bewohner aus Syrien, die jetzt für ihre später angekommenen Schicksalsgenossen übersetzen.

    Die Bewohner wechseln gleichfalls immer wieder. In weniger als zwei Jahren haben 251 Flüchtlinge hier eine vorübergehende Heimat gefunden. Gar nicht so wenige fänden selbst eine Wohnung („Sie sind untereinander gut vernetzt“) und zögen nach drei Monaten wieder aus, andere blieben länger. Viele hielten danach noch Kontakt. Wie Osama T.: Der Syrer beginnt am 1. April als einer von vier Freiwilligen im sozialen Jahr und will danach studieren. „Es gibt Paradebeispiele, die sehr schnell Deutsch lernen“, hat Tönnis beobachtet: „Am besten übrigens, wenn sie eine deutsche Freundin finden.“

    Täglich Nachhilfe in Deutsch

    Nicht alle integrieren sich so schnell, aber den Spracherwerb betreibe man mit gewissem Nachdruck, Kontrollen eingeschlossen. Zusätzlich zu den amtlichen Kursen geben Ehrenamtliche Unterricht und seit Januar Pater Mayer täglich Einzelnachhilfe: So könne er auf jeden eingehen, „weil sie unterschiedliche Vorkenntnisse mitbringen, und wer hinterherhinkt, wird nicht bloßgestellt“.

    Die Seelsorgearbeit von Tönnis besteht in Gesprächen, im Da-Sein. Zwischen seinem Büro und den Fluren des Wohntrakts besteht Blickkontakt und da kommt schon mal eine spontane Whats-App-Einladung zum Tee.

    Auf den Sofas vor den Appartements sitzen die Männer (tatsächlich zumeist nur die) dann zusammen und reden über Erfolge, Probleme, Ängste. Anliegen würden in der arabischen Kultur bevorzugt in geselligen Runden vorgebracht, sagt Tönnis: „Wenn sie mich zum Essen einladen, weiß ich, dass sie etwas wollen.“

    Sieben christliche Flüchtlinge

    „Es war gut und richtig, dass wir hierher umgezogen sind“, findet Tönnis, der jetzt nicht mehr zwei Ämtern parallel gerecht werden muss. Die ständige Präsenz ermöglicht formlose Begegnungen auf dem Flur und ein Miteinander etwa auch in Gottesdiensten: Es gibt interreligiöse Feiern und Gebete und dreimal die Woche die heilige Messe in der Hauskapelle. Unter den Flüchtlingen sind derzeit sieben Christen, und irakische und syrische Muslime seien die Begegnung mit Christen aus ihrer Heimat gewohnt. „Wir wollen nicht missionieren, aber über Gott sprechen“, sagt Tönnis und findet es passend, dass Ordensleute mit Flüchtlingen unter einem Dach leben: „Wir wollen eine Hausgemeinschaft sein und Wärme ausstrahlen. Wir wollen uns solidarisieren, nicht nur mit Worten, sondern mit Taten.“

    Zusatzinformationen: Bunter Mix von Nationalitäten

    Waren in Oggelsbeuren im Mai 2014 zunächst nur syrische Kriegsflüchtlinge, leben mittlerweile Asylbewerber aus dem Irak, Iran, Syrien, Afghanistan, Somalia und Nigeria hier. Und sogar ein kurdischer Türke – was Alfred Tönnis nachdenklich werden lässt über die Politik, die die Türkei als Puffer zum Schutz europäischer Grenzen zu sehen scheint.

    Unter den momentan 76 Flüchtlingen sind sieben Christen, sieben Jesiden, die übrigen sind Muslime. Gerade sind weniger Kinder da als am Anfang, etwa ein Dutzend. Aber bald steht sogar eine Taufe an. Vier Kinder besuchen den Kindergarten in Rupertshofen. Ältere Kinder gehen zur Schule in Oberstadion (Alb-Donau-Kreis) und in Biberach. Für kleinere Kinder steht die Untermarchtaler Schwester Christina als Betreuerin bereit.

    Natürlich gibt es Probleme wie laute Musik am Abend, aber nach Angaben der Betreuer gab es noch keine ernsten Konflikte. Dank der Kooperation von Kreis Biberach und Diözese Rottenburg besteht mit zwei Sozialarbeitern auf 120 Prozent einer Vollzeitstelle eine sehr gute Betreuungsrelation. Üblich ist ein Sozialarbeiter auf 130 Personen.

    Tobias Gerster von Freifunk Ulm hat freies W-Lan installiert, jedoch reicht das Datenvolumen nicht für die Bedürfnisse. Internet sei für die Flüchtlinge sehr wichtig, um Kontakt zur Heimat und untereinander zu halten, sagt Tönnis. Er sieht indes mit Sorge, dass manche „sich auf eine zweite Flucht begeben“ bis zur Schwelle zur Internetsucht.

    Kleiderkammer sucht Spenden

    Die Kleiderkammer nimmt gerne Spenden an. Gut gebrauchen können die Frauen, die sie ehrenamtlich betreiben, vor allem Schulranzen, Taschen, Koffer und Herrenschuhe. Die Sachen werden für geringe Beträge an Flüchtlinge verkauft.

    Unterschrift Foto: Pater Alfred Tönnis (links) unterhält sich in gemütlicher Runde beim Tee mit Flüchtlingen Bild: Markus Dreher, ©Schwäbische Zeitung