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    Zarema kann die Tränen nicht zurückhalten

    Maselheim, 15.03.2016 (Agathe Markiewicz, ©Schwäbische Zeitung)

    Schönebürg sz
    Die Schönebürger Vinzenz-von-Paul-Schule veranstaltet eine Projektwoche zum Thema Flüchtlinge. Die Schüler sollen sich in themenbezogenen Gruppen auf unterschiedliche Weise mit der Thematik auseinandersetzen. Am Montagvormittag fand eine bewegende Auftaktveranstaltung statt, bei der auch Tränen flossen.

    Als Zarema ihre Geschichte erzählt, hängen die Fünf- bis Neuntklässler gebannt an ihren Lippen. Die junge Frau ist mit ihrem kleinen Sohn aus Tschetschenien geflohen. Ihr Alltag sei früher von Bombeneinschlägen geprägt gewesen. „Genau wie in Syrien wurde dort ständig gebombt“, beschreibt Zarema. Zwar ist das Deutsch der jungen Frau relativ gut, jedoch gerät sie manchmal ins Stocken und sucht nach dem deutschen Wort. Dann hilft ihr der Siebtklässler Dennis Sabelnikov. Der Zwölfjährige übersetzt fließend aus dem Russischen oder umgekehrt.

    Zudem hat Zarema ihren Paten vom Helferkreis Schwendi, Heinrich Dubell, mitgebracht. Er informiert kurz über den Krieg in Tschetschenien.

    Ihre Flucht führte Zarema und ihren Sohn zuerst nach Polen, wo sie zwei Jahre lang lebten. Dort lernte die Frau ihren jetzigen Mann kennen, der ebenfalls mit seinen beiden Kindern auf der Flucht aus Tschetschenien war. Weil sie von ihrem Ex-Ehemann bedroht wurden, beschloss das Paar, weiter nach Deutschland zu fliehen. Über Bielefeld, Karlsruhe und Ochsenhausen gelangte die mittlerweile sechsköpfige Familie schließlich nach Schwendi. Dort hat sie ein neues Zuhause gefunden.

    „Die Menschen sind so offen hier“, sagt Zarema. „Sie interessieren sich für uns, begegnen uns mit Respekt und helfen uns.“ Als die junge Frau das erzählt, kann sie ihre Tränen nicht zurückhalten. Die Schüler sind gerührt. Einer wünscht Zarema für die Zukunft alles Gute.

    „Mir ist diese Projektwoche ganz arg wichtig“, sagt Schulleiter Artur Hegenauer an die Schüler gerichtet. „Ihr sollt die Möglichkeit erhalten, mit Flüchtlingen in Kontakt zu kommen und sie kennenzulernen.“ So könne das gegenseitige Verständnis gefördert werden. Außerdem findet der Rektor: „Flüchtlinge, die zu uns kommen, erwarten unsere Hilfe und diese sollen sie auch bekommen.“

    Für die Schulsozialpädagoginnen Kerstin Mittelbach und Evelyn Ils soll ebenfalls die Begegnung im Vordergrund stehen, aber auch die Aufklärung. Unter dem Motto „Think global – act local“ haben sie für die Woche verschiedene Aktionen auf die Beine gestellt. Eine Auswahl: Die Unterstufen-Schüler lernen bei einem Kochprojekt etwas über das Land Tschetschenien kennen. Unter dem Motto „Kulturen in Action“ sammeln die Schüler Spiele, die auch ohne Sprache für alle Beteiligten verständlich sind. Bei einem Kleiderprojekt arbeiten Kinder im Kleiderladen in Ochsenhausen mit. Eine andere Gruppe besucht eine Flüchtlingsunterkunft in Oggelsbeuren. Beim Sportprojekt in Kooperation mit der „Stiftung Heimat geben“ aus Oggelsbeuren sollen junge Flüchtlinge gemeinsam mit den Vinzenz-von-Paul-Schülern verschiedene Sportangebote wahrnehmen. Auch ein Fußballturnier findet statt.

    „Ohne Eltern auf der Flucht“ heißt ein 24-minütiger Film, den die Schüler am Montag auch zu sehen bekommen. Der Film erlaubt einen kleinen Einblick, wie es den Menschen in der Erstaufnahmestelle Meßstetten ergeht. Unter anderen erzählt ein jugendlicher Flüchtling, wie er sich von Syrien allein nach Deutschland durchgeschlagen hat. Wie er tagelang auf der Straße übernachten musste, wie sein Geld für die Weiterfahrt nicht reichte und wie sehr er seine Eltern und Geschwister vermisst. Auch andere Hilfesuchende kommen zu Wort. Jeder hat seine eigene Geschichte. Die meisten handeln jedoch von Angst und Zerstörung. Die Not ist groß.

    Bevor Artur Hegenauer die Schüler in die Pause entlässt, lobt er ihr Interesse und ihre Konzentration. Die Schüler freuen sich auch und zeigen es mit einem lauten Applaus.

    Unterschrift Foto: Die Tschetschenin Sarema (Mitte) hat im Gespräch mit der Schulsozialpädagogin Kerstin Mittelbach und Heinrich Dubell vom Unterstützerkreis Schwendi von ihrer Flucht erzählt. Bild: Agathe Markiewicz, ©Schwäbische Zeitung